2000 Menschen fragen: „Wem gehört die Stadt?“

11.09.2017, Lesezeit 3 Min.
Gastbeitrag

Rund 2000 Menschen demonstrierten kurz vor den Bundestagswahlen in Berlin für eine bessere Wohnungspolitik im Sinne der arbeitenden Bevölkerung. Aufgerufen hatten dazu verschiedenen mietenpolitische Initiativen sowie der geräumte Kiezladen Friedel 54 und das Bündnis "Zwangsräumung verhindern".

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Um 15.00 Uhr setzte sich am vergangenen Samstag ein Demonstrationszug in Bewegung, dem sich im Laufe der Route bis zu zweitausend Menschen anschließen sollten. Unter dem Motto „Wem gehört die Stadt?“ liefen sie durch Kreuzberg und Neukölln.

Von den Mieter*innen der Otto-Suhr-Siedlung in Kreuzberg, der Linie 206 in Mitte, den linksradikalen Projekten Friedel 54 und Rigaer 94 und der Kreuzberger Initiative Bizim Kiez wurde das gemeinsame Problem der Verdrängung thematisiert.

In vielen Beiträgen wurde deutlich gemacht, dass die Wurzel allen Übels die Kommodifizierung von Wohnraum darstellt: dass Wohnungen also nicht denen zur Verfügung gestellt werden, die sie brauchen, sondern nur dem Gewinn der Immobilienunternehmen dienen.

Ablehnung der Regierungsparteien

Besonders die legitime Wut auf die regierenden Parteien war immer wieder zu spüren. Nicht nur, dass die Linkspartei nichts gegen den Ausverkauf der Stadt tut; sie ist mit der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (die an dem Tag übrigens nichts Besseres zu tun hatte, als sich an einem Infostand mit der Polizei ablichten zu lassen), auch direkt an diesem Ausverkauf beteiligt. Daran zeigt sich einmal mehr deutlich, dass die „Freundschaft“ der Linkspartei zu sozialen Bewegungen nur eine Maskerade ist, deren heuchlerischer Charakter sich offenbart, sobald das Oppositionsgehabe gegen die Regierungsbeteiligung eingetauscht werden kann.

Die Proteste gegen Gentrifizierung werden schon seit Langem – nach G20 und in einem Wahlkampf, der sich vor allem durch seinen insgesamten Rechtsruck auszeichnet, aber noch einmal stärker – zur Kriminalisierung ganzer Viertel und deren Bevölkerung genutzt. So kann der Berliner Senat zwei Ziele mit einem Schlag treffen: Linke, die sich gegen die politische Repression wehren, und kämpferische Mieter*innen, deren Protest ein Stachel im Fleisch der Immobilienhaie ist. Mit der angestrebten Räumung der Rigaer 94 hätte der Staat zum Beispiel einen Herd „linker Gewalt“ befriedet und gleichzeitig dem Mietenprotest einen Schlag versetzt, über den sich sämtliche Wohnungsgesellschaften von Deutsche Wohnen bis degewo inklusive internationaler Konkurrenz gehörig freuen dürften.

Dabei ist die Verdrängung vor allem ein Problem, das Lohnabhängige, Jugendliche und in noch größerem Ausmaß Migrant*innen trifft, die es ohnehin schwer haben, mit einem „ausländischen“ Namen eine Wohnung zu finden. Die Frage, wem denn die Stadt gehören müsste, wurde auf der Demonstration korrekt beantwortet: Denen, die in ihr leben und arbeiten. Das ist allerdings nicht zu erreichen, indem, wie ebenfalls auf der Demonstration gefordert, einfach der „Geist der 80er Jahre“ wiederbelebt wird.

Das einzige Programm, das in der Lage ist, der Gentrifizierung etwas entgegenzusetzen, muss die konsequente entschädigungslose Enteignung der Immobilien beinhalten. Und gerade weil die Wohnungsfrage vor allem die Lohnabhängigen betrifft, müssen die Gewerkschaften als Arbeiter*innenorganisationen im Interesse der Arbeiter*innen den Kampf um die Stadt führen — nur sie sind durch ihre ökonomische Macht auch in der Lage, ihn zu gewinnen.

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