200 Arbeiter*innen gegen die SPD

31.05.2016, Lesezeit 3 Min.
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Am Freitag hielten Berlins Sozialdemokrat*innen ihren Landesparteitag ab. Vor dem Eingang standen Arbeiter*innen aus verschiedenen Unternehmen: Der Botanische Garten, die Charité, Vivates, das Technik-Museum, die AWO – alle waren dabei. Auch Mieter*innen äußerten ihren Unmut. Kommt es zu einem "Aufstand der Töchter"?

Die Delegierten mussten durch einen regelrechten Spießrutenlauf: Bevor sie zum Landesparteitag der Berliner Sozialdemokrat*innen kamen, mussten sie an zahlreichen Flugblattverteiler*innen vorbei. Gegen prekäre Arbeitsverhältnisse in Landesunternehmen. Gegen den Ausverkauf von Sozialbauwohnungen. Gegen die Unterfinanzierung der AWO.

Vor zehn Jahren, damals unter einem „rot-roten Senat“, gründeten die Berliner Landesunternehmen alle Tochterfirmen. So konnten sie neues Personal für Niedriglöhne, außerhalb der geltenden Tarifverträge, einstellen. Beim Botanischen Garten entstand die BG BGBM, bei der Charité die CFM, bei Vivantes die VSG und andere, beim Technik Museum die T&M usw. usf. Die Arbeiter*innen dieser Tochterfirmen leisten die gleiche Arbeit wie ihre Kolleg*innen, die noch vom Tarifvertrag gedeckt sind, verdienen aber manchmal nur halb so viel.

„Wir machen die gleiche Tätigkeit in dem gleichen Haus“ sagte Salim Bellachia vom Technik-Museum, „aber verdienen nur knapp über dem Mindestlohn“. Bellachia ist Betriebsratsvorsitzender bei der Tochterfirma T&M. Für die rund 170 Kolleg*innen der T&M fordert er die Rückführung in den Tarifvertrag der Länder – beim Museum direkt angestellt sind genauso viele Menschen, und sie werden nach Tarif bezahlt. Das „Prekariat“ beim Technik-Museum vernetzt sich mit Kämpfen am Botanischen Garten und an den Krankenhäusern. „Wir tun uns zusammen“, so Bellachia im Gespräch mit Klasse Gegen Klasse.

„Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ war eine Forderung, die die protestierenden Arbeiter*innen vereinte. Außerdem waren Beschäftigte der AWO anwesend, die bereits im Rahmen einer Tarifrunde Warnstreiks für bessere Bezahlung durchgeführt haben. Da die AWO immer darauf verweist, dass sie vom Land Berlin kein Geld bekommt, haben AWO und ver.di die Kundgebung gemeinsam organisiert. Die Protestierenden waren alle in ihrer Arbeitszeit da.

Hier wurde ein interessantes Phänomen sichtbar: Viele Funktionär*innen von AWO und ver.di trugen Delegiertenausweise der SPD, und hatten die sozialdemokratischen Politiker*innen freundlich um Unterstützung gebeten. Die meisten Arbeiter*innen dagegen protestierten gegen die Sozialdemokrat*innen, die die politische Verantwortung für so gut wie alle Missstände tragen.

Die Mieter*innen der Koloniestraße in Wedding, die ebenfalls mit protestierten, hatten den radikalsten Ton. „Angesichts des Versagens der Mietpreisbremse ist die ’soziale Stadt‘ Berlin nur eine leere Phrase“ sagte Tim Reiche von der Initiative „Hände Weg von Wedding.“ Als der regierende Bürgermeister Michael Müller in seiner schwarzen Limosine vorgefahren wurde, sagte er: „So sieht diese einstige Arbeiter*innenpartei aus!“

Eine AWO-Managerin warf im vor, „AfD-Jargon“ zu verwenden und die Beschäftigten, die ja nur bessere Löhne wollten, für Kritik an der SPD zu „missbrauchen“. Just in dem Moment kamen zwei AWO-Beschäftigte rüber und sagten Danke für die tolle Rede. Die Kluft zwischen Arbeiter*innen und sozialdemokratischen Bürokrat*innen ist nur selten so gut sichtbar.

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