150 Personen bei drei Veranstaltungen zu „Brot und Rosen“ auf der Leipziger Buchmesse
Lilly Schön stellte rund um die Leipziger Buchmesse das kürzlich im Argument Verlag erschienene Buch Brot und Rosen. Geschlecht und Klasse im Kapitalismus der argentinischen Feministin Andrea D'Atri vor.
Bei insgesamt drei Veranstaltungen sprach Lilly Schön, Mitglied der internationalen sozialistischen Frauenorganisation Brot und Rosen, rund um die diesjährige Leipziger Buchmesse. Darunter waren zwei Lesungen des Buches Brot und Rosen. Geschlecht und Klasse im Kapitalismus, das sie vor Kurzem auf deutsch übersetzt hat, und eine Podiumsdiskussion gemeinsam mit zwei weiteren feministischen Autorinnen. Insgesamt hörten 150 Personen den Vorträgen zu.
In dem soziokulturellen Zentrum Frauenkultur fand am Mittwoch abend die erste Verantaltung mit 50 Zuhörer*innen statt, darunter viele junge feministische Aktivistinnen. In ihrer Einleitung zu der Lesung berichtete Lilly von einer bewegenden Anekdote:
An dem Tag, als im letzten Jahr in Argentinien zwei Millionen Frauen den Kongress für ihr Recht auf Abtreibung umzingelten, stellte Andrea D’Atri, die Autorin des Buches, ein Bild auf Facebook. Darauf zu sehen waren sechs oder sieben Frauen, die 15 Jahre zuvor gemeinsam zum ersten Mal den Gesetzentwurf zur Abtreibung in den Kongress eingebracht hatten. Darunter schrieb sie: „Wir sind heute viele, weil wir einmal keine Angst hatten, wenige zu sein.“
Für Lilly war das zugleich eine wichtige Motivation, das Buch zu übersetzen, denn es war ein Teil der jahrelangen Vorbereitungsarbeit, die in den Aufbau der Bewegung hineingeflossen ist, die heute Millionen von Frauen auf die Straße bringt. Das Ziel: aus dieser Vorbereitungsarbeit für die Frauen- und für die Arbeiter*innenbewegung in Deutschland zu lernen.
Bevor die Lesung einiger der spannendsten Stellen des Buchs – wie der Biographie der sozialistischen Feministin und Mitbegründerin der KP Großbritanniens, Sylvia Pankhurst, oder der Erfahrungen der Frauen in der Russischen Revolution – begann, hob Lilly noch drei wichtige Elemente des Buchs hervor:
Erstens beschreibe das Buch die historische Debatte in der Frauen- wie in der Arbeiter*innenbewegung seit der Französischen Revolution. Dabei mache es die Fort- und Rückschritte in den Rechten der Frauen als Produkte des Klassenkampfes sichtbar. Zweitens zeige Andrea in dem Buch auf, dass Frauen für ihre Rechte immer schon im Kontext ihrer sozialen Position geführt haben, d.h. im Kapitalismus auch als Teil der Arbeiter*innenklasse, und dass ihre Kämpfe gegen Ausbeutung und gegen Unterdrückung nicht voneinander trennbar gewesen seien. Drittens zeige das Buch immer auch auf, dass der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte ist, sondern die Revolution, die zur Emanzipation der gesamten Menschheit führt, eine reale Möglichkeit darstellt.
Im Anschluss an die Lesung wurden viele spannende Fragen zum Buch, aber vor allem auch zur internationalen sozialistischen Frauenorganisation Brot und Rosen gestellt, deren Manifest im Anhang des Buches abgedruckt ist. Besonderes Interesse weckte die Rolle von Brot und Rosen innerhalb der argentinischen Frauenbewegung, aber auch der Kampf von Brot und Rosen für LGBTI*-Rechte – und nicht zuletzt auch die Möglichkeit, Brot und Rosen hier in Deutschland aufzubauen.
Am Donnerstag las Lilly Schön direkt auf der Leipziger Buchmesse, bei der Bühne der linken Verlage, aus dem Buch vor, moderiert von Emily Laquer vom Argument Verlag. Zugehört haben insgesamt mehrere Dutzend Besucher*innen der Messe.
Abends diskutierte sie im linken Laden linXXnet im alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz gemeinsam mit Lea Haneberg, Mitherausgeberin des Sammelbands „Materializing Feminism“, und Julia Fritzsche, Autorin von „Tiefrot und radikal bunt“, über feministische Kritik der Verhältnisse und die drei Bücher. 50 Personen waren gekommen, um zuzuhören. In einer anregenden Debatte, die die Inhalte aller drei Bücher miteinander in Beziehung setzte und nach Visionen für eine radikale feministische Bewegung heute suchte, waren sich die drei Feministinnen einig, dass eine materialistische Perspektive notwendig ist, die die kapitalistischen Produktionsverhältnisse als zentralen Bezugsrahmen hat. Lilly warb für eine antikapitalistische Perspektive und die Notwendigkeit einer völlig anderen Organisation der Arbeit, die auch die Überwindung der Trennung von Produktions- und Reproduktionsarbeit bedeutet. In der Debatte verwies sie auf eine Schlussfolgerung von Andrea D’Atri, das im Vorwort zur deutschen Ausgabe von Brot und Rosen. Geschlecht und Klasse im Kapitalismus abgedruckt ist:
Denn eine Gesellschaft, die befreit ist von allen Formen der Ausbeutung und Unterdrückung, denen die Menschheit heute in ihrer übergroßen Mehrheit unterworfen ist, ist kein Wunsch, sondern eine dringende Notwendigkeit, damit das Leben lebenswert wird.