1,5 Millionen gegen die AfD: Jetzt Antifaschismus von unten aufbauen!
Leitartikel: Die massiven Demonstrationen zeigen das Potential, die AfD zurückzuschlagen. Dafür müssen wir uns aber unabhängig von Regierung und bürgerlicher Opposition organisieren.
Vergangene Woche sah Deutschland einige der größten Demonstrationen seit der Existenz der Bundesrepublik. Nach dem Skandal um das Geheimtreffen von AfD-Funktionär:innen, Nazis, Unternehmer:innen und Mitgliedern der Werteunion gingen allein am Wochenende anderthalb Millionen gegen die AfD auf die Straße, wohl möglicherweise mit einem ersten kleinen Erfolg: In einer neuen Umfrage von Insa verzeichnet die AfD ein Minus von 1,5 Prozent, den größten Rückgang seit fast zwei Jahren.
Dabei wurde nicht nur in Großstädten und nicht nur im Westen lautstark protestiert, sondern auch in kleineren Orten und in Ostdeutschland. Im sächsischen Meißen kamen etwa 1.000 Menschen zusammen – bei nur 29.000 Einwohner:innen in der Kreisstadt. Die politische Ausrichtung war aber nicht immer gleich: In München gab es laut aktualisierten Schätzungen der Veranstalter:innen vor 320.000 Menschen von der Bühne gleich mehrere kritische Redebeiträge gegen die Ampel-Regierung – mit gemischten Reaktionen im Publikum und auch zum Unmut der Süddeutschen Zeitung, die von einem „Abbruch zur rechten Zeit“ sprach. Als „Ampel-Bashing“ bezeichnet das Münchner Leitmedium die Beiträge von der Bühne – und meint damit eine Kritik an den erneuten Angriffen der Bundesregierung auf Geflüchtete. In Görlitz trat hingegen der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) auf der Bühne auf, der in der Vergangenheit schon für einen „konstruktiven Umgang“ mit der AfD geworben hatte und jungen Geflüchteten das Recht auf Schulbildung nehmen wollte. In Stuttgart wiederum gab es zwei Demonstrationen: Eine staatstragende von Parteien und Verbänden gegenüber einer – größeren – linken Demo mit Kritik an der Ampel. Und in Flensburg wurde einer Rednerin das Mikrofon abgenommen, als sie die Asylpolitik der Ampelregierung kritisieren wollte.
Das zeigt: Die Deutungshoheit über die Demonstrationen war durchaus umstritten, trotz der Teilnahme von Olaf Scholz und Annalena Baerbock an einer Demo in Potsdam kann nicht ohne weiteres von einer Regierungsmobilisierung gesprochen werden. Allgemein lässt sich jedoch ein gemeinsamer Nenner finden: Die Verteidigung der „Demokratie“ gegen die AfD stand für die meisten Teilnehmenden im Vordergrund, nicht unbedingt aber die Verteidigung der Ampel. Die konnte in den ersten Umfragen entsprechend auch nicht profitieren.
Legitimationskrise der Ampel
Opposition und Regierung – die FDP in geringerem Maße – versuchen nun, sich den Protest zur Verteidigung der Demokratie auf die eigene Fahne zu schreiben, indem sie versuchen, die Zivilgesellschaft, also etwa Vereine oder NGOs, hinter sich zu bringen. Sie hoffen, sich im Wahljahr gegen die AfD zu behaupten. Wie die Demonstrationen zeigten, gab es durchaus Widerspruch gegen die Politik der Ampel. Jedoch werden die zivilgesellschaftlichen Organisationen in einer Logik des geringeren Übels wohl am Ende doch eine kritische Vermittlung für die Ampel übernehmen.
Dabei übernimmt die Ampel selbst viele der Forderungen der AfD. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) rühmt sich damit, im vergangenen Jahr 27 Prozent mehr abgeschoben zu haben als 2022. Und letzte Woche – also schon nach den ersten Großdemonstrationen – verabschiedete die Bundesregierung das „Rückführungsverbesserungsgesetz“, nachdem Kanzler Scholz bereits vor Monaten angekündigt hatte, „endlich im großen Stil abschieben“ zu wollen. Demnach soll die Abschiebehaft von zehn auf nun maximal 28 Tage ausgedehnt werden können. Polizist:innen sollen weitere Befugnisse bekommen, um Menschen aufzuspüren, die abgeschoben werden sollen. Und Abschiebungen sollen nicht mehr angekündigt werden, wenn nicht Familien mit Kindern unter 12 Jahren betroffen sind. Die Bundesregierung beließ es aber nicht dabei, sondern schloss zudem ein Migrationsabkommen mit Georgien ab und ließ verkünden, mit Kirgisistan, Usbekistan, Moldau, Marokko, Kenia und Kolumbien kurz davor zu stehen. Völlig zu recht bezeichnete der Seenotrettungsverein Sea-Watch die neuen Abschieberegelungen als „Remigration Light“.
Es ist offensichtlich, dass die Ampel es nicht schafft, den Aufstieg der AfD zu verhindern. Im Gegenteil: Durch ihre Abschiebepolitik, durch Waffenlieferungen und durch Einsparungen bei Sozialem, Bildung, Landwirtschaft und Gesundheit verschafft sie der AfD erst Auftrieb. Das wird es ihr schwer machen, ihre Zustimmungswerte wieder zu verbessern. Sie wird allenfalls als geringeres Übel gegenüber der AfD oder der Union wahrgenommen.
Dabei ist die Unzufriedenheit von allen Seiten groß, wie die Proteste der Landwirt:innen zeigen. Und auch die Arbeiter:innenbewegung ist trotz der wenig zufriedenstellenden Tarifrunde der Länder mit den großen Streiks bei der Bahn oder kleinen, harten Kämpfen wie dem unbefristeten Streik im Jüdischen Krankenhaus Berlin nicht in Passivität getreten. Im Sommer und Herbst dürften auch wichtige Kämpfe in den Häfen und der Metallindustrie anstehen. In Hinblick auf die zeitgleich stattfindenden Wahlen bieten sie einen Anhaltspunkt, um Arbeitskämpfe mit dem Kampf gegen Rechts zu verbinden.
Die jetzigen Proteste machen deutlich: Eine Regierungsbeteiligung der AfD in einem der ostdeutschen Bundesländer oder gar im Bund wird von breiten Schichten abgelehnt. Massenproteste könnten eine AfD-Regierung sehr unwahrscheinlich machen. Einerseits, weil die CDU in Sachsen und Thüringen es noch schwerer haben wird, in ihrer eigenen Partei und unter ihren Wähler:innen Zustimmung dafür zu erlangen, mit der AfD zu koalieren oder eine AfD-Minderheitsregierung zu tolerieren. Und andererseits, weil AfD-Wähler:innen infolge der Massendemonstrationen möglicherweise zu Nicht-Wähler:innen werden.
Auch große Teile des Kapitals lehnen eine AfD-Regierung ab, da dies nicht mit ihren außenpolitischen Zielen in Einklang zu bringen ist. Schließlich profitieren deutsche Kapitalist:innen zum großen Teil von einer Ausrichtung auf die NATO und von der vorherrschenden Rolle Deutschlands in der EU. Außerdem haben Unternehmen Angst, dass Fachkräfte aus dem Ausland abgeschreckt werden. Die Firmenchefs von Mercedes, Daimler und Deutscher Bank haben sich daher besorgt über die AfD geäußert. Das macht sie aber keineswegs zu Verbündeten. Vielmehr sind sie maßgeblich verantwortlich für soziale Ungleichheit und rassistische Spaltung. Dieser „Antifaschismus von oben“ hat nichts gemeinsam mit einem Protest gegen rassistische Politik. Wie die Ampel wollen sie Migrant:innen in „nützlich“ und „unnützlich“ sortieren.
Palästina-Solidarität gegen Rechts
Auf die widersprüchliche Ampel-Politik machten bei mehreren Demos auch Blöcke in Solidarität mit Palästina auf sich aufmerksam. Schließlich richtet sich die rassistische Hetze der AfD besonders seit dem Beginn des israelischen Angriffs auf Gaza im vergangenen Oktober gegen Palästinenser:innen und Muslim:innen. Schon im Oktober stellte die AfD etwa Anträge, die humanitäre Hilfe für Menschen für Palästinenser:innen einzustellen. Proteste in Solidarität mit Palästina nahm die AfD danach zum Anlass, „konsequente Abschiebungen“ zu fordern.
Während sich nun aber eine Welle des Protests nach den Enthüllungen über die Pläne der extremen Rechten, auch Menschen mit deutschem Pass zu deportieren, durch das Land zieht, darf nicht vergessen werden, dass sie diese Forderung nicht als erste eingebracht haben. Es war die Unionsfraktion im Bundestag, die schon im vergangenen November gefordert hat, Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit den deutschen Pass zu entziehen und Ausländer:innen abzuschieben, wenn sie – nach einer verzerrten Definition – antisemitische Straftaten begehen. Die Maßnahmen der Ampelregierung, um die Palästina-Solidarität zu kriminalisieren, stehen diesen Forderungen kaum nach.
Nicht zuletzt steht die internationale Rechte – von Donald Trump in den USA über den neuen argentinischen Rechten Javier Milei bis hin zur AfD – mit der extrem rechten Regierung von Benjamin Netanjahu in Israel. Wer sich also gegen den Rechtsruck international wehren will, sollte sich also auch gegen das anhaltende Massaker in Gaza stellen.
Deshalb war es so wichtig, dass die Palästina-Solidarität an vielen Orten sichtbarer Teil der Demonstrationen war. Das hat nicht allen gepasst. So kam es in München auf der Kundgebung zu einem Angriff aus dem pro-israelischen „Antifa“-Block heraus. Vermummte versuchten, pro-palästinensische Banner herunterzureißen. Schon im Vorfeld wurde dem Münchner Ableger von „Palästina Spricht“ von den Organisator:innen der Demonstration eine Liste mit Auflagen geschickt, wie die Gruppe auf Instagram berichtete: Noch nicht einmal Wassermelonen in den Farben Palästinas sollten sie mitbringen dürfen. In Leipzig drohten Ordner:innen palästinasolidarischen Aktivist:innen auf der Demonstration mit der Polizei. In Berlin wurde ein pro-palästinensischer Block von der Polizei von der Demonstration getrennt und von weiteren Teilnehmer:innen offen angefeindet.
Die Reaktion darauf darf für die Solidaritätsbewegung mit Palästina nicht sein, die Großkundgebungen gegen rechts aufzugeben. Denn die Ausrichtung und die Deutung der Proteste sind umkämpft und wir dürfen den Regierungsparteien, die den Genozid in Gaza unterstützen, ebenso wenig das Feld überlassen wie den pro-zionistischen Kräften in der Linken, die sich mit ihren Provokationen gegen pro-palästinensische Aktivist:innen zu Handlangern der Regierung werden – egal wie linksradikal sie sich geben. Schon heute sind etwa zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland gegen die israelische Kriegsführung in Gaza. Daran gilt es anzuknüpfen und eine große Bewegung gegen den Krieg aufzubauen, die auch die Unterstützung der Ampel für die israelische Regierung beenden kann.
Für einen Antifaschismus von unten statt von oben
Unter Linken und in sozialen Medien wird kritisch diskutiert, welches Potential die Demos haben. Kam der Großteil der anderthalb Millionen nur, um das eigene Gewissen zu erleichtern und es bleibt bei einer Eintagsfliege? Oder sind die Mobilisierungen der Auftakt für einen umfangreichen Kampf gegen rechts?
Die Antwort auf diese Frage ist nicht vorbestimmt, sondern unter anderem vom Eingreifen von Linken, jungen Menschen und organisierten Beschäftigten abhängig. Viele Menschen erwarten nun eine Antwort auf die AfD. Die Frage ist, wer sie gibt. Um sich vor den Demonstrant:innen nicht zu blamieren, könnte die Ampel kleinere, symbolische Aktionen starten. So diskutiert sie über Kürzungen von Geldern für die AfD – wofür zweifelhafte Erfolgsaussichten bestehen dürften. Nachdem heute jedoch der Partei „Die Heimat“, der ehemaligen NPD, der Anspruch auf die staatliche Parteienfinanzierung entzogen wurde, erhält diese Diskussion weiteren Aufwind. Während ein Verbot der Gesamtpartei aufgrund hoher Anforderungen unrealistisch sein dürfte, will Grünen-Chef Omid Nouripour zumindest ein Verbot der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative. Einige Politiker:innen bis hin zur Linkspartei fordern auch den Entzug von Grundrechten für den AfD-Spitzenpolitiker Björn Höcke. Doch selbst wenn ein Verbot der AfD insgesamt oder einiger ihrer Teile rechtlich möglich wäre: Ändern wird all das am Rechtsruck nichts. Vielmehr soll so die Hoffnung aufrechterhalten werden, dass mit der Ampel ein Weg durch die Gerichte gegen die AfD möglich ist. Jedoch geht das am Kern des Problems vorbei: Nicht nur schürt es Illusionen darin, dass der Staat im Kampf gegen rechts auf unserer Seite steht – während immer wieder rechtsextreme Netzwerke in Polizei und Bundeswehr aufgedeckt werden. Sondern es ändert nichts am sozialen Nährboden für die AfD, den sowohl die Ampelregierung als auch die Unionsparteien mit ihrer Politik immer wieder erneuern.
Ampel, Union und Konzerne sind keine Verbündeten im Kampf gegen rechts. Ein „Antifaschismus von oben“ kann nur dazu führen, die Mobilisierungen in den Dienst der Regierung zu stellen – und die Ursachen für den Aufstieg der AfD zu verdecken. Wir lehnen solche „Volksfronten“ ab, in denen wir als Beschäftigte nur als Masse zum Beifallklatschen geladen werden. Um der AfD entschlossen entgegenzutreten, müssen wir uns organisieren, um selbst über Forderungen und Herangehensweisen zu diskutieren – unabhängig von der Regierung und den Vertreter:innen des Kapitals.
Aber wo? In den Ampel-Parteien, deren Führungen selbst so weit nach rechts gerückt sind, dass sie das Programm der AfD in light umsetzen? Wohl kaum. In der Partei Die Linke? Tatsächlich gab es nach der Spaltung von Wagenknecht einige Neueintritte von Aktiven der antirassistischen Bewegung. Doch ändert das nichts an der immer noch völlig zahmen und auf Regierungsbeteiligungen ausgerichteten Politik der Partei, die zusammen mit SPD und Grünen dafür verantwortlich war, dass in keinem Bundesland so viel abgeschoben wurde wie in Berlin. In ihrem Aufruf zu den Anti-AfD-Demos schrieb die Linkspartei: „Es braucht eine kritische Selbstreflexion der Ampel-Regierung hinsichtlich ihres Beitrags zum Erstarken der AfD.“ Sie versteht sich also höchstens als Korrektiv zur Regierung. Ein entschlossener Kampf gegen Abschiebungen, Krieg und Einsparungen sieht anders aus als „breite Bündnisse gegen Rechts“, also Bündnisse mit Regierung und Kapital.
In zivilgesellschaftlichen Initiativen wie etwa „Pro Asyl“ oder „Seebrücke“? Viele davon leisten wichtige Arbeit, etwa bei der Unterstützung Geflüchteter. Doch schlagen sie keinen Kampfplan gegen die AfD und eine echte Alternative zur Ampel vor. Im Gegenteil besteht ihre Perspektive meist darin, in ihren einzelnen Themenfeldern Druck auf die Ampelregierung auszuüben, die sie trotz allem noch als „ihre“ Regierung wahrnehmen. Es sind gerade diese Organisationen des „erweiterten Staates“, mit denen die Regierung trotz extrem niedriger Umfragewerte weiterhin einen gewissen gesellschaftlichen Konsens organisieren kann.
Auch die unzähligen Antifa-Gruppen, die auf lokaler Ebene wichtige Arbeit gegen Nazis leisten, bleiben zu endlosem Widerstand verdammt, wenn sie keine umfangreiche Strategie und Programmatik gegen den Rechtsruck aufstellen – das heißt, nicht nur gegen die AfD und andere rechtsextreme Akteure, sondern auch gegen die Regierung und das Regime insgesamt.
Eine wichtige Organisatorin der Demos der vergangenen Tage war Fridays For Future (FFF). Zusammen mit weiteren Klimaorganisationen hat die Bewegung einige der Großdemonstrationen selbst angemeldet und maßgeblich organisiert. Sie hat über die letzten Jahre die Strukturen und die Legitimität aufgebaut, um Massenmobilisierungen durchzuführen. Mit ihrem Klimaprogramm hat sie bereits eine inhaltliche Nähe zu wichtigen Berufsgruppen wie Bahn-Beschäftigten und Landwirt:innen, die sich gerade im Kampf befinden. Allerdings ist ihr Programm nicht antikapitalistisch gegen die Konzerne gerichtet – ihre Forderungen, etwa nach einer „sozialen Mobilitätswende“, lassen auch Spielraum für einen „grünen Kapitalismus“ im Sinne der Regierung. Dies zeigt die größte Schwäche von FFF: ihre angepasste Haltung zur Regierung, insbesondere zu den Grünen, die sie trotz gelegentlicher Kritik als geringeres Übel mittragen. Zum Ausdruck kommt dies etwa in der pro-israelischen Position von FFF Deutschland. Wenn FFF einen glaubwürdigen Kampf gegen rechts und den antimuslimischen Rassismus führen will, muss die Bewegung mit diesen Positionen brechen und eine konsequente Opposition zur Regierung und den Interessen des Kapitals aufbauen.
Gleiches gilt für die Gewerkschaften, deren Führungen gemeinsam mit der Regierung, Linkspartei und der Union zu pro-israelischen Kundgebungen aufgerufen haben. In den letzten Jahren haben sie zwar vereinzelt Aufklärungskampagnen gegen Rechts durchgeführt. Aber gegen die strukturellen Ursachen des Rassismus und die systematische Spaltung und Schlechterbehandlung von Migrant:innen haben sie nichts unternommen. Solange die Gewerkschaftsbürokratien die Interessen des „Standorts Deutschland“ (also die Interessen des deutschen Kapitals) und die deutsche Staatsräson verteidigen – inklusive der unbedingten Solidarität mit Israel –, können sie der AfD nicht den Nährboden entziehen. Es ist deshalb nötig, dass die Gewerkschaften den Kampf gegen Rechts jetzt nicht nur durch Aufrufe zu den Anti-AfD-Demos unterstützen, sondern mit Arbeitskämpfen verbinden. Bisher sind diese auf Forderungen nach mehr Lohn und besseren Arbeitsbedingungen beschränkt. Die Gewerkschaften müssen Streiks wie zuletzt im öffentlichen Dienst, bei den Lokführer:innen oder im kommenden Herbst im Metallsektor mit Forderungen gegen den Rassismus und die sozialen Grundlagen der AfD kombinieren: Für die Anerkennung aller ausländischen Abschlüsse, für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, für offene Grenzen und das Bleiberecht von allen statt nur von „Hochqualifizierten“, gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse wie Zeit- und Leiharbeit, für eine Angleichung der Löhne in Ost und West und Masseninvestitionen statt Einsparungen und Kürzungen im Gesundheits-, Bildungs- und sozialen Bereich, für Enteignungen der großen Banken und Konzerne sowie Vermögenssteuern statt Investitionen in das Militär.
Zusammen hätten Klima- und Gewerkschaftsbewegung die nötige Kraft, um flächendeckend Versammlungen in den Schulen, Unis und an den Arbeitsplätzen zu organisieren und Streiks und Großdemonstrationen vorzubereiten. Dies ist, was wir uns als „Einheitsfront“ vorstellen: eine Einheit der Jugend- und Arbeiter:innenbewegung, die den Rassismus der AfD und ihre Erfüllungsgehilfen in der Ampel konfrontiert und weitergehende Forderungen formuliert, mit denen die anderthalb Millionen Menschen und noch mehr mobilisiert werden können.
Mit einer unabhängigen Alternative für einen Bruch mit der Regierung
Uns schwebt damit keineswegs nur eine „Einheitsfront unter Linken“ vor, wie es unter anderem die Aktivistin Simin Jawabreh im Jacobin-Magazin andeutet. Es reicht nicht, wenn alle linken Kräfte sich für Aktionen gegen Rechts koordinieren. Damit würden wir nämlich die Millionen von Menschen nicht erreichen, die zwar bereit sind, gegen die AfD auf die Straße zu gehen, aber noch keinen Bruch mit der Regierung und ihren Organisationen im erweiterten Staat vollzogen haben. Diesen Bruch können wir als radikale Linke nicht voraussetzen; wir müssen darum kämpfen, dass all diejenigen, die heute richtigerweise den Aufstieg der AfD bekämpfen wollen, die Logik des geringeren Übels überwinden und den Kampf gegen die Regierung und die Interessen des Kapitals aufnehmen.
Wenn also die großen Massenorganisationen wie die Gewerkschaften und soziale Bewegungen wie die Klimabewegung heute gegen die AfD mobilisieren, müssen wir ihre Führungen dazu zwingen, die Forderungen und Methoden zu radikalisieren und ihre Beziehungen mit den bürgerlichen Parteien abzubrechen. Auf diesem Weg müssen wir für den Aufbau von klassenkämpferischen und revolutionären Fraktionen kämpfen, die die aktuellen Führungen konfrontieren und perspektivisch überwinden können. Statt eines Kurses, der die Regierung gegen die AfD stützt, treten wir für eine unabhängige Alternative ein, die den Kampf gegen Rechts mit dem Kampf gegen seine Ursachen verbindet: gegen Krieg und Kapitalismus. Es braucht die Organisierung von Millionen Menschen in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Als Linke ist es unsere Aufgabe, dafür zu kämpfen, dass diese Massenorganisationen einen Bruch mit der Regierung vollziehen. Die Ampel als kleineres Übel wird uns nicht vor dem Aufstieg der Rechten retten. Das können wir nur selbst tun.
Fordert deshalb eure Schülervertretung, euren AStA oder eure Gewerkschaftssekretär:innen dazu auf, Versammlungen in eurer Schule, eurer Uni und eurem Betrieb zu organisieren. Wenn sie das nicht tun (wollen), kritisiert sie öffentlich und organisiert sie selbst. Denn dort kann gemeinsam über die Proteste, Streiks und Blockaden gegen den Aufstieg der Rechten und gegen die Politik der Ampelregierung und der bürgerlichen Opposition diskutiert werden.
Die Gewerkschaften und auch FFF oder die Studierendenvertretungen sind politisch umkämpft. Momentan ziehen ihre Anführer:innen es aus Rücksichtnahme auf die Ampel meist vor, niemanden gegen ihre Politik auf die Straße zu bringen. Als linke Kräfte ist es unsere Aufgabe, uns zu koordinieren, um ihnen solche Versammlungen aufzwingen zu können. Dafür können wir uns auf die Erfahrungen der Kämpfe der letzten Zeit stützen, wie der wichtige Widerstand gegen den Krieg in Gaza, aber auch die Ansätze einer Basisorganisierung in den Gewerkschaften gegen den Ausverkauf durch die Gewerkschaftsbürokratie in Streiks. Für einen Antifaschismus von unten statt Versöhnung mit dem heuchlerischen „Antifaschismus“ des Kapitals.
Eine abstrakte Verteidigung der „Demokratie“ reicht nicht aus, denn die heutige „Demokratie“ dient nur den Reichen. Uns kann es aber nicht darum gehen, die Parteien der Bosse zu legitimieren, damit sie Kriege und Krisen nur etwas weniger rabiat als die AfD auf unsere Schultern abladen. Vielmehr gilt es aufzuzeigen, dass die tatsächliche Verteidigung – und Erweiterung – der Demokratie gegen den Aufstieg der extremen Rechten nur möglich ist, wenn wir uns konsequent für die Interessen der Ausgebeuteten und Unterdrückten organisieren und die „Demokratie“ der Reichen durch eine Demokratie der arbeitenden Massen ersetzen.
Es gilt, eine unabhängige Alternative zur Ampel und der gescheiterten Linkspartei aufzubauen, um die Rechte zu konfrontieren, wie wir in unserem Sofortprogramm schrieben:
Die AfD ist eine reale Gefahr, die sich aber nicht mit der ‚Einheit aller Demokrat:innen‘ und Kreuzen in der Wahlkabine bekämpfen lässt, sondern nur mit einer von Staat und Kapital unabhängigen Politik der Organisationen der Linken und Arbeiter:innen.