125 Jahre Bertolt Brecht: Kunst um die Welt zu ändern

10.02.2023, Lesezeit 5 Min.
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Vor 125 Jahren wurde der Kommunist, Dramatiker und Lyriker Bertolt Brecht geboren. Bis heute werden seine Werke regelmäßig aufgeführt und rezipiert, Kunst verstand er nicht „als einen Spiegel, der der Gesellschaft standhält”, sondern als „einen Hammer, mit dem sie geformt wird”.

„Wie soll ich gut seien, wo alles so teuer ist?“ Diese Frage stellte Brecht in dem vor 80 Jahren uraufgeführten Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan”. Viele Jahrzehnte später wird diese Frage wieder aktueller denn je, in Zeiten in denen aufgrund von Krieg, dem Kapitalismus und der von ihm verursachten Klimakrise die Preise in die Höhe schnellen, während durch den Neoliberalismus und seine Regierungen die Rechte der Arbeiter:innen massiv angegriffen werden, bspw. durch die Rentenreform in Frankreich oder den Angriff auf das Streikrecht in Großbritannien und in den abhängigen Ländern die Armut und Arbeitslosigkeit drastische Höhepunkte erreichen. Aber nicht nur von Armut handelten seine Stücke, sondern auch von dem Krieg. So sagt in seinem Stück „Mutter Courage und ihre Kinder” die Mutter Courage: „Wenn man die Großkopfigen reden hört, führens die Krieg nur aus Gottesfurcht und für alles, was gut und schön is. Aber wenn man genauer hinsieht, sinds nicht so blöd, sondern führn die Krieg für Gewinn.”

In „Die heilige Johanna der Schlachthöfe” thematisiert Brecht die Absurditäten des Kapitalismus und dessen ausbeuterischen Charakter, sowie den Versuch der Arbeiter:innen, sich diesen mit einem Generalstreik zu widersetzen. Die Fleischunternehmer verursachen eine ökonomische Krise, um den Wert des Fleisches zu steigern wollen sie ein Drittel des Viehs verbrennen, doch dagegen gibt es Einwand: „Wär es nicht möglich, dieses viele Vieh, wenn es so wertlos ist, daß man’s verbrennen kann, den vielen, die da draußen stehn und die’s so gut gebrauchen könnten, einfach zu schenken?” Mauler (der Kapitalist) lächelnd : „Lieber Herr Snyder, Sie haben den Kern der Lage nicht erfaßt. Die vielen die da draußen stehen: Das sind die Käufer!” Wie sehr erinnert uns das an die Gegenwart, in der der Welthunger steigt, während ein Drittel der Lebensmittel für den Müll produziert werden, wo Corona-Impfstoff und Masken einfach weggeschmissen werden usw.
„Obgleich sie um geringen Lohn arbeiten und für viele nützlich sind, lebt keiner von ihnen seine Jahre zu Ende, ißt sein Brot, stirbt satt und wird in Ehren begraben, sondern vor ihrer Zeit enden sie und sind erschlagen und zerstampft und in Schande verscharrt.” Bei Frauen lag die Durchschnittsrente 2021 bei 832 Euro im Monat, die Zahl der Menschen die von Altersarmut betroffen sind steigt entgegen der Märchen vom kapitalistischen Wohlstand immer weiter an, alleine im letzten Jahr mussten 12 Prozent mehr Rentner:innen die Grundsicherung beantragen. Brecht bringt es auf den Punkt; der Kapitalismus beutet uns ein Leben lang aus und nicht einmal sein letztes Versprechen, das von einem „würdigen Lebensende“, hält er ein. Das Stück nimmt seinen Lauf.
Der Generalstreik wurde durch die Polizei niedergeschlagen: „Die Schlachthäuser machen wieder auf, aber nur für zwei Drittel der Belegschaft und nur zu einem Zweidrittellohn. Aber das Fleisch wird teurer.” Das Spiel mit Brecht Zitaten, die sich beliebig gut auf die gegenwärtigen politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse anwenden lassen, ließe sich unendlich fortführen. Es wird klar, auch wenn Brecht vor 125 Jahren geboren wurde, sind seine Gedanken und Worte nicht verblasst und überholt. Der Haifisch hat immer noch Zähne.

Natürlich waren die Werke von Brecht mehr als nur „kommunistische Lehrstücke”. Wären sie nur politisch gehaltvoll, wären sie sicherlich nie so erfolgreich geworden und würden heute so regelmäßig gezeigt. Seine Werke zeichnen sich durch noch weitaus mehr aus, sie sind unterhaltsam und zugleich von hoher dramaturgischer Qualität. Kaum ein Künstler/eine Künstlerin hat es geschafft, die Absurditäten und Grauen unserer Gesellschaft so virtuos in künstlerische Formen zu bringen wie Brecht.

Das moderne Theater muß nicht danach beurteilt werden, wieweit es die Gewohnheiten des Publikums befriedigt, sondern danach, wieweit es sie verändert. – Bertolt Brecht

Dieses Zitat fasst die Essenz von Brechts „epischem Theater” zusammen. Anfang der 1920er Jahre begannen Brecht und der Theaterintendant und Regisseur Erwin Piscator mit neuen Formen des Theaters zu experimentieren. Sie wollten die bürgerliche Hegemonie im Kunstfeld durchbrechen, durch die im Theater eine „Scheinrealität” und „tragische Einzelschicksale” dominierten. Ihr Ziel war es, die realen Umstände, in denen sich die Menschen bewegen, zur Bühne zu machen und große gesellschaftliche Themen wie Krieg, Revolution, Ökonomie und soziale Ungleichheit zu thematisieren. Sie wollten ein Theater, was diese Konflikte durchschaubar macht und die Zuschauer:innen mit einem veränderten Bewusstsein aus dem Stück gehen lässt. Dieses Theater war aber nie nur dokumentarisch, sondern verband das Drama und die Epik. Es wurde zu einem Theater, welches die Bühnen der Welt im Sturm eroberte, so wurde die „Dreigroschenoper” zum erfolgreichsten deutschen Theaterstück des 20. Jahrhunderts, trotz des Verbots durch den Faschismus.

Wenn uns Brecht eines auf unserem Weg mitgeben konnte, dann ist es, dass die Dinge veränderbar sind und wir es sind, die es tun müssen. Sein Geburtstag ist daher nicht nur ein Tag der Erinnerung, sondern auch ein Tag voller Inspiration und Tatkraft.

Ändern wir die Welt; sie braucht es!

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