1. Mai in Paris: Tausend Teilnehmer:innen bei Demonstration für den Generalstreik

02.05.2023, Lesezeit 5 Min.
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Bild: Révolution Permanente

Am gestrigen Kampftag der Arbeiter:innen haben sich in Paris rund eintausend Jugendliche und Kolleg:innen aus verschiedenen Sektoren der Demonstration des Netzwerks für den Generalstreik angeschlossen. Sie traten damit für eine erfolgversprechende Strategie gegen Macron und eine Organisierung an der Basis ein.

Das Netzwerk für den Generalstreik hatte für den 1. Mai zu einem sektorenübergreifenden Demonstrationszug in Paris aufgerufen, „um eine klare Botschaft an die Regierung zu senden“. Man wolle sich dagegen wehren, dass dieses Datum zu einem letzten Rückzugsgefecht werde, bevor der Widerstand gegen die Rentenreform abgewürgt wird. Die Führungen der großen Gewerkschaftsverbände, die in der sogenannten Intersyndicale zusammengeschlossen sind, hatten bis zuletzt auf den Dialog mit Präsident Emmanuel Macron gesetzt – obwohl dieser die Erhöhung des Rentenalters in einem autoritären Akt durchgedrückt hat. Statt die volle Kraft der Streiks einzusetzen, riefen sie nur zu einzelnen Aktionstagen auf.

Christian Porta, ein Arbeiter in der Lebensmittelindustrie und Delegierter der Gewerkschaft CGT, der mit einer Delegation aus dem Departement Moselle angereist war, fasste die allgemeine Stimmung vor Ort zusammen:

Die einzige Strategie, die man uns heute vorschlägt, ist eine Strategie der Niederlage, die Mobilisierung nach dem 1. Mai zu begraben. Wir wollen eine Alternative zu dem, was die Gewerkschaften vorschlagen, auf die Straße bringen. Das einzige Mittel, das wir haben, um zu gewinnen, ist die Vorbereitung des Generalstreiks.

Fast eintausend Demonstrant:innen folgten dem Aufruf. Unter ihnen waren Eisenbahner:innen, Müllwerker:innen, Mitarbeiter des Pariser Nahverkehrsunternehmens RATP, Arbeiter:innen aus der Lebensmittelindustrie, aber auch sehr viele Jugendliche. „Die Jugend gehört zu den 60 Prozent der Bevölkerung, die die Mobilisierung nicht beenden wollen“, erklärte Ariana Serge, Aktivistin bei der Jugendorganisation Le Poing Levé und Studentin an der Universität Paris 1. „Wir haben beschlossen, heute an der Seite der Arbeiter:innen im Netzwerk für den Generalstreik zu demonstrieren, weil wir uns nicht mehr davon überzeugen müssen, dass wir Viele sind. Die Frage ist, wie wir gewinnen können.“

Dieses Anliegen teilte auch Raphaël, Mitglied des Netzwerks für den Generalstreik. „Dieser 1. Mai ist kein letztes Aufbäumen. Wir wollen die Rücknahme der Reform, aber auch Lohnerhöhungen und ein Ende der Prekarität von Studierenden. Wir müssen uns koordinieren, um das Land zu blockieren“, erklärte der Drucker, der am Morgen aus Lille angereist war. Seiner Meinung nach müsse die aktuelle Bewegung angesichts der explodierenden Preise die Frage der Löhne stellen, um zu gewinnen.

Nathalie, die seit mehr als einem Monat bei der kommunalen Verwaltung in Varennes-Jarcy streikt, äußerte sich ähnlich. Sie ist entschlossen: „Sie wollen uns zum Zusammenbruch bringen. Aber wir werden durchhalten, wir werden tun, was nötig ist, um in Würde zu leben. Die Frage der Löhne und der Renten ist miteinander verbunden. Wir kämpfen für beides“.

Für Laura, Eisenbahnerin in Le Bourget, einem Vorort von Paris, gehen die Wut und die Revolte seit dem Einsatz des Paragraphen 49-3 durch Präsident Macron sogar noch weiter. Mithilfe dieses autoritären Mittels war es Macron möglich gewesen, die Rentenreform am Parlament vorbei zu erzwingen. „Wir müssen gegen ultrareaktionäre Institutionen kämpfen, die über unser Leben entscheiden“, so Laura. „Wir müssen mit der Allmacht des Präsidenten und der Fünften Republik Schluss machen und sehen, wie sich die Arbeiter:innen an der Basis organisieren und die demokratische Frage stellen können.“

Diese Selbstorganisation werde entscheidend sein, „um der Bewegung neuen Schwung zu verleihen“, erklärte sie weiter . „Es geht nicht darum, sich an einen Tisch zu setzen und mit der Regierung zu diskutieren, wie es die Intersyndicale tun will. Ab nächster Woche müssen wir uns treffen, um an der Basis einen Schlachtplan zu entwerfen. Das ist es, was wir mit dem Netzwerk für den Generalstreik zu tun versuchen, wir müssen es verallgemeinern und überall umsetzen“.

Auch am späten Nachmittag, als sich die Demonstrant:innen der Place de la Nation näherten, blieben sie lautstark. „Macron, tritt zurück!“, „alle gemeinsam, alle gemeinsam, Generalstreik!“ Die Slogans reihten sich wie ein Versprechen aneinander, den Protest fortzusetzen. Von einem Lastwagen herab warnte Anasse Kazib, Eisenbahner und Sprecher von Révolution Permanente, der französischen Schwesterorganisation von RIO: „Macron ist nicht unbesiegbar. Die Intersyndicale hat nach diesem Tag nichts geplant. Wir müssen den Generalstreik aufbauen. Und dafür müssen wir uns an der Basis organisieren. Es beginnt die zweite Halbzeit der Arbeiter:innenbewegung und das ist es, was wir versuchen, mit dem Netzwerk für den Generalstreik aufzubauen. Das ist erst der Anfang, lasst uns den Kampf fortsetzen“.

Der diesjährige 1. Mai nahm in Frankreich ein historisches Ausmaß an. Der Gewerkschaft CGT zufolge beteiligten sich im ganzen Land rund 2,3 Millionen Menschen an Demonstrationen. Das Innenministerium sprach von 782.000 Teilnehmer:innen. An vielen Orten kam es zu massiver Polizeigewalt.

Dieser Artikel erschien am 1. Mai bei Révolution Permanente. Er wurde für die deutschsprachige Veröffentlichung leicht überarbeitet.

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