1. Mai in München: Außer „Viva Palästina“-Rufen nichts zu hören?

02.05.2024, Lesezeit 5 Min.
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1. Mai in München. Foto: Ricarda Julia / Klasse Gegen Klasse

Der 1. Mai stand in München 2024 zum ersten Mal im Zeichen der Palästinasolidarität. Das gefiel nicht allen – gut so!

Selten war ein 1. Mai in München so internationalistisch wie heute. Den Ruf „Hoch die internationale Solidarität“, stimmte selbst der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke auf dem Marienplatz an. Vor allem aber spielte zum ersten Mal die Palästinasolidarität eine zentrale Rolle am Kampftag der Arbeiter:innen. Damit schlossen palästinensische und palästinasolidarische Gruppen sowohl auf der morgendlichen Demonstration des DGB als auch auf der sogenannten revolutionären 1.-Mai-Demo an die besten Traditionen der Arbeiter:innenbewegung an. Auch wir als Revolutionäre Internationalistische Organisation und der marxistischen Hochschulgruppe Waffen der Kritik beteiligten uns zahlreich an beiden Demonstrationszügen. „Gewerkschaften in die Offensive: Streiken gegen Genozid, Militarismus und Kürzungspolitik“ lautete die Parole auf dem Banner, das den Block überspannte.

Kritik an Genozid und Militarisierung von der Bühne bleibt aus

An der Demonstration des DGB von der Kapuzinerstraße über das Sendlinger Tor zum Marienplatz nahmen bei bestem Frühlingswetter nach Angaben der Polizei rund 7.000 Menschen teil. Dort sollte die Rede des  Bundesvorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Werneke, den Höhepunkt bilden. Seine Rede begann er außenpolitisch, indem er auf den 7. Oktober zu sprechen kam. Prompt schallten ihm „Free Palestine“-Rufe entgegen. Werneke schien um Fassung bemüht und schob sofort nach, man trauere um jeden Toten, ob in der Ukraine, in Israel oder in Gaza. Seine Trauer über die Toten von Gaza schien jedoch nicht weit genug zu reichen, um die Unterstützung der Bundesregierung für Israels mörderischen Feldzug zu kritisieren. 

In der Folge sprach er eine Reihe sozialer Fragen an. So forderte er die Einführung der Kindergrundsicherung und die Abschaffung der Schuldenbremse. Auch die Angriffe auf das Streikrecht von Unternehmensverbänden, aus dem Wirtschaftsflügel der Union und von der FDP wies er entschieden zurück: „Sie wollen, dass Streiks so lange vorher angekündigt werden müssen, damit die Kapitalisten auch ja genug Zeit haben, genügend Streikbrecher heranzukarren.“ 

So war aussagekräftiger, worüber sich Werneke ausschwieg: die beispiellose Aufrüstung und Militarisierung der gesamten Gesellschaft, die die Bundesregierung derzeit vollzieht. Soziale Forderungen müssen zahnlos bleiben, wenn sie nicht berücksichtigen, dass gerade die Aufrüstung den Vorwand bildet, mit dem Sozialkürzungen gerechtfertigt werden. Auch die Angriffe des Streikrechts sind nur zu verstehen, wenn man sie als Teil einer inneren Disziplinierung versteht, die mit der „Kriegstüchtigkeit“ nach außen einhergeht. So sind es zwar Union, FDP und Kapitalist:innenverbände, die die Angriffe auf das Streikrecht anführen. Doch es ist die Ampelregierung, die solchen Angriffen den Boden bereitet hat.

Kampf gegen Genozid „nicht Teil unserer Bewegung“?

Auf der Abschlusskundgebung sprach nicht nur der Bundesvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, sondern auch Simone Burger, die Kreisvorsitzende des DGB. Dass die Palästinasolidarität ihrer bürokratischen Routineveranstaltung die Show zu stehlen drohte, scheint ihr sauer aufgestoßen zu sein. Der Süddeutschen Zeitung gab Burger, die außerdem für die Aufrüstungs- und Sozialkürzungspartei SPD im Münchner Stadtrat sitzt, zu Protokoll: „Sie sind nicht Teil unserer Bewegung und wir teilen diese Meinung nicht.“

Wer Teil der Arbeiter:innen- und Gewerkschaftsbewegung ist, entscheidet zum Glück keine sozialdemokratische Bürokratin. Burger und Werneke ist ein Blick über den deutschen Tellerrand zu empfehlen. In den USA haben sich etliche Basisgewerkschaftsgruppen nicht nur mit den Universitätsbesetzungen solidarisiert, sondern sich aktiv an den Aktionen beteiligt. Auch der internationale Gewerkschaftsbund UNI Global Union, in dem ver.di Mitglied ist, positionierte sich für einen Waffenstillstand. Die deutschen Gewerkschaften müssen sich diesen internationalen Forderungen anschließen. Doch der 1. Mai in Berlin zeigte genau das Gegenteil: Dort versuchten Ordner:innen des DGB pro-palästinensische Teilnehmer:innen mit Hilfe der Polizei von der Demo auszuschließen – erfolglos. Dies zeigt die Notwendigkeit, die Palästina-Solidarität und die Antikriegspositionen in den Gewerkschaften gegen den Willen der staatstragenden Führungen durchzusetzen.

Im Anschluss an die DGB-Kundgebung in München fand eine Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration statt. Der palästina solidarische Block machte mit mehreren hundert Teilnehmer:innen einen großen Teil des Zuges aus. Weil Rauchtöpfe an der Spitze der Demonstration zum Einsatz kamen, hielt die Polizei den Protest mehrfach auf, verzichtete aber auf eine Eskalation. Nur am Rande kam es zu Provokationen vereinzelter pro-zionistischer Kräfte, was die Polizei als Anlass nahm, zwei Teilnehmer:innen der Demonstration festzunehmen. Dies beweist umso mehr: Reaktionäre pro-israelische Positionen haben in der Linken und der Arbeiter:innenbewegung nichts verloren und müssen konsequent bekämpft werden.

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