Erfahrungsbericht: Hausdurchsuchung nach einem halben Gramm Gras

20.04.2021, Lesezeit 8 Min.
Gastbeitrag

Kiffer in Bayern? Dann viel Spaß mit der Polizei. In einem Bericht schildert unser Autor, wie schnell man als Verbrecher behandelt wird.

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Foto: www.DrugUsersBible.com

Diese Erinnerungen sind nun fast zehn Jahre her. Damals bin ich Anfang 20 bei einem Konzert in München. Ein bisschen abseits stehe ich mit einer Gruppe von vielleicht fünf, sechs Leuten. Der Joint, den ich entfacht habe, kommt gerade im Uhrzeigersinn zu mir zurück. Entspannt fühle ich mich, habe etwas Bier getrunken und ziehe nun an der Tüte. Aus meinen Augenwinkeln sehe ich, wie sich von links und rechts zwei schwarz angezogene Personen zielstrebig auf mich zubewegen. Für einen Moment schaut mir der 30-Jährige Typ direkt in die Augen. Sofort weiß ich: Es sind Zivilfahnder. Am Rande eines Konzerts lungerten sie rum, offensichtlich auf der Mission, kriminelle Kiffer zu schnappen.

Ich fange an, Richtung Konzertsaal zu rennen. Meine Hoffnung ist, dass sie es nicht wagen, mit hinein zu laufen oder dass mir die Menschenmenge Schutz gibt. Aber in dem Moment, in dem ich die Tür aufreißen will, werde ich zu Boden gerissen. Der eine Cop hat sogleich sein Knie in meinem Rücken, der andere schirmt mich von den verwirrt dreinblickenden umstehenden Personen ab. Gemurre, was das soll. Da trifft gleich die Kavallerie ein. Zwei Streifenwagen, die Besatzung springt heraus. Macht sich wichtig. Taschen- und Körperkontrolle. „Haben Sie etwas, woran ich mich verletzen könnte?“ Ein halbes Gramm Gras im Geldbeutel. Ich kriege Handschellen an, werde zum Auto mitgenommen und ab.

Das Verhör  

Die Polizisten fahren mich zur Wache. Erkennungsdienstliche Behandlung wegen § 81 b StPO: Verdacht einer Straftat. Ich werde von links, rechts, vorne mit gleißendem Licht abfotografiert. Fingerabdrücke werden mir genommen. Die DNA-Probe verweigere ich. Dann treffe ich wieder auf meinen vorherigen Bekannten, den 30-jährigen Zivilfahnder von der Kriminalpolizei. Ein junger, dynamischer Typ. Mit seinem etwas älteren Kollegen, einem etwas gemütlicher anmutenden 50-Jährigen, leitet er die Ermittlungen. Ich könne Du zu ihm sagen. Wie nett von ihm. Er will mich zum Plaudern bringen.

An dieser Stelle: Wenn Cops euch als Beschuldigte noch so sehr Honig ums Maul schmieren, lasst euch nicht drauf ein. Nicht mal auf Gespräche über das Wetter. Das gehört zu ihrer Taktik. Sie wollen euch einlullen, Glauben machen, dass das hier ein ganz normaler Talk zwischen Personen auf Augenhöhe ist. Aber sie lügen. Reagiert nicht mal, wenn sie euch das Du anbieten. Wenn sie wissen wollen, was euer Lieblings-Fußallteam ist, ob ihr alleine wohnt (sehr verdächtig! Ich habe leider ja gesagt), oder ob ihr ein Kilo Hasch gebunkert habt. Egal welche Frage – verweigert eine Antwort. Ich machte damals den Fehler, mich auf den Smalltalk einzulassen, aber das macht es der Polizei nur leichter, euch in falscher Sicherheit zu wiegen und euch bei den heiklen Fragen ins Schleudern zu bringen.

Ob ich schon mal mit der Polizei zu tun hatte? Von wem ich das Cannabis denn habe? Ob ich noch mehr daheim habe? Der Polizist wird neugierig. Ich bin vom Bier und dem Gras ein bisschen benebelt, überfordert mit den Fragen. Ich will mich dazu nicht äußern, aber der Cop riecht, dass ich nervös bin. Er bohrt nach. „Der ist ja völlig zugedröhnt“, sagt er zu seinem Kollegen, um mich weiter zu verunsichern. Wenn ich nichts sagen will, könne man ja auch zu mir nach Hause fahren. Der Ton wird unfreundlicher. Da mischt sich der ältere Bulle ein. Das muss ja nicht nötig sein, wir wollen hier nur den Sachverhalt aufklären. In seiner gemütlichen bajuwarischen Art mit dezentem Bierbauch fläzt er fast schon lässig zwei Meter von mir entfernt auf dem Stuhl. Der Jüngere dagegen setzt sich jetzt direkt auf die Tischkante halb zu mir nach vorne gelehnt und wird eindringlicher. „Dir ist schon klar, dass wir hier wegen einer Straftat ermitteln? Denk mal drüber nach.“ Er verlässt kurz den Raum. „Hey, das ist nicht so tragisch. Wir haben alle früher mal an einem Joint gezogen, du kannst es ruhig erzählen“, meint da wieder der Ältere. Damals war ich vielleicht naiv, aber ganz so blöd dann auch nicht. Guter Bulle, böser Bulle. Ich wäre fast schon amüsiert. Wäre da nicht das unangenehme Gefühl, dass bei mir daheim noch mehr Gras rumliegt.

Die Durchsuchung

Das Verhör zieht sich. Es müssen mindestens zwei Stunden sein, genauer kann ich es nicht sagen. Mein Handy wird mir abgenommen. Ich werde es ein halbes Jahr nicht wieder sehen und danach sind all meine Daten und Chats gelöscht. Irgendwann reißt dem jungen Cop der Geduldsfaden: „Wir sehen doch, dass du was zu verbergen hast. Wir können jetzt auch mit einem Spürhund zu dir fahren und nachsehen.“ Ich sage ihm, dass es dafür eine richterliche Anordnung braucht. Es ist ihm egal: Gefahr im Verzug, Art. 13 Abs. 2 GG. Sie stecken mich wieder in das Auto. Der Hund kommt nicht mit – angeblich keiner frei, vielleicht war es auch nur ein Bluff.

Bei mir angekommen trifft Verstärkung ein. Zwei Streifenpolizisten aus dem nahegelegenen Polizeirevier. Zu viert stehen die Herren nun in meiner Wohnung. Ich übergebe ich ihnen das Gras aus meiner Schublade, circa zehn Gramm. Ich habe keine Lust, dass sie alles durchwühlen. Sie tun es natürlich trotzdem. Der Inhalt meiner Schränke liegt danach im Zimmer verteilt. Der junge Bulle macht weiter Druck. Bei einer solchen Mengen betreibe ich ja offensichtlich Handel. Dafür könne ich in den Knast gehen. Ich solle jetzt endlich mit der ganzen Story auspacken, sonst werde ich noch größere Probleme kriegen. Was denn für eine verfickte Story, denke ich mir. Meint er, ich bin Pablo Escobar? Er baut eine absurde Drohkulisse auf. Dabei haben sie eigentlich schon alles, was sie wollen. Wenn ich mag, kann ich mich ihm anvertrauen, meint der Gute Bulle. Es ist mittlerweile schon drei oder vier in der Nacht. Das ganze Prozedere wiederholt sich immer wieder, es fängt an, mich zu langweilen. Langsam checken auch meine Gäste, dass der Abend gelaufen ist. Bevor sie gehen, klauen sie noch eine Pipe und ein Buch über Cannabis. „Beweismittel.“ Ich soll unterschreiben, dass ich mit der Beschlagnahmung einverstanden bin. Als ob es einen Unterschied machen würde.

Ein halbes Jahr nach der Hausdurchsuchung kommt ein Strafbefehl wegen Besitz von Betäubungsmitteln mit einer mittleren dreistelligen Summe rein. Irgendwie müssen die sinnlosen Kosten für den Polizeieinsatz ja gedeckt werden. Was lerne ich daraus? Seid vorsichtig, wo ihr kifft. Und wenn ihr schon meint, mit Drogen irgendwo unterwegs sein zu müssen, passt auf, was ihr auf euren Handys und Rechnern habt. Bei mir konnten sie wegen (ursprünglich) 0,5 Gramm all meine Chats lesen. Ich war sicherlich zu unvorsichtig. Aber ich kenne von anderen Leuten ähnliche Storys. Ein Freund, der wegen 0,2 Gramm (!) eine Hausdurchsuchung hatte…  

Wenn diese Gangster in Uniform Bock haben, euch übel mitzuspielen, werden sie es tun. Sie sind die wahren Verbrecher. Bei mir war es unangenehm, aber es verlief letztlich glimpflich. In Delmenhorst brachten sie hingegen den 19-Jährigen Qosay K. um, nachdem sie ihn beim Kiffen im Park erwischt haben. Sie attackierten ihn mit Schlägen und Pfefferspray, sodass er später in der Polizeizelle tot zusammenbrach. Der Job der Cops ist es, euch Respekt vor den Gesetzen einzuprügeln. Nur sind diese Gesetze gegen uns, wie das Verbot von Cannabis. Und wie die  Eigentumsordnung, in der die Superreichen alles haben und die große Mehrheit nichts. In Wahrheit sind die Bullen nur die Schläger der Bonzen in den Villen und Chefetagen. Ihnen gehört kein Respekt. Wir müssen uns organisieren in den Schulen, Unis und Arbeitsplätzen und für unsere Rechte kämpfen. Für das Recht, ein gutes Leben zu haben und von den Bullen in Ruhe gelassen zu werden.

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