„Der Kampf um Befreiung ist antiklerikal!“ Tausende gegen christliche Fundamentalist*innen in Berlin

17.09.2016, Lesezeit 5 Min.
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Tausende Menschen gingen heute in Berlin auf die Straße, um den „Marsch für das Leben“ zu blockieren. Bis zu 5.000 reaktionäre Abtreibungsgegner*innen, darunter Beatrix von Storch von der AfD, waren für einen Karneval der Reaktion zusammengekommen. Blockadeversuche blieben erfolglos – aber zwangen die Rechten dazu, ihre Route erheblich zu kürzen.

Als sich die feministische Demonstration – Grundfarbe Lila – am Samstag versammelte, strömte noch der Regen. Doch die rund 1.000 Menschen waren entschlossen, gegen christliche, rechte Frauenfeinde zu protestieren. Je trockener es wurde, desto lauter wurden auch die Demonstrant*innen. „Gegen euren Fundamentalismus, nieder mit Jesus und für den Feminismus!“, riefen sie. Oder: „Feuer und Flamme dem Patriarchat, gegen Sexismus in Alltag und Staat!“

Hätt‘ Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben!

Am reaktionären „Marsch für das Leben“ nahmen nach Polizeiangaben 6.000 Abtreibungsgegner*innen statt. In der ersten Reihe stand wie auch in den vergangenen Jahren die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch – genau, jene Beatrix von Storch, die mit Schusswaffen auf geflüchtete Kinder schießen möchte, verteidigt das „Leben“ von ungeborenen Föten. Dabei waren auch katholische Bischöfe, evangelikale Christ*innen und ein wirkliches Karneval der Reaktion.

Zwei feministische Gegendemonstrationen

Zwei Bündnisse hatten zum Protest aufgerufen. Gemeinsam brachten sie einige Tausend Menschen auf die Straße, um die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen §218 zu fordern und sich gegen die Angriffe auf das Recht auf Abtreibung zu wenden. In Deutschland ist Abtreibung weiterhin verboten – nur straffrei unter bestimmten Bedingungen.

„Wir sind wütend. Wir demonstrieren gegen diese alten, reaktionären Männer. Die wollen uns vorschreiben, was wir mit unserem Körper machen und uns auf die traditionelle Rolle in der bürgerliche Kleinfamilie beschränken. Dagegen gehen wir auf die Straße“, sagt Tabea Winter von Brot und Rosen in der Revolutionär-kommunistischen Jugend. Milena, Schülerin in Berlin, fügt hinzu: „Mir ist es wichtig, zu zeigen, dass wir für unsere Rechte auf die Straße gehen. Wir können sie nicht den Rechten überlassen.“

Um 13 Uhr startete die linksradikale Demo des Bündnisses „What the Fuck“. Im Anschluss versuchten die Teilnehmer*innen in kleineren Gruppen die Route der Christ*innen zu blockieren. Etwas später begann auch die Demonstration des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, die von etablierten Parteien getragen wird. Hier liefen etwas weniger als 500 Menschen mit, darunter zahlreiche Abgeordnete.

Die Blockadeversuche waren nicht erfolgreich, aber die Demostrecke der Rechten musste erheblich gekürzt werden. An vielen Orten standen auch linke Demonstrant*innen am Rande des „Marsch für das Leben“ und machten ihrer Wut Luft. Geschützt wurden die Frauenfeinde von der Berliner Polizei. Bei der Abschlusskundgebung der Rechten vor dem Reichstag haben Polizist*innen die Gegendemonstrant*innen auch mit Schlägen und Pfefferspray angegriffen.

Problematisch an dem „What the Fuck“-Bündnis ist vor allem ihre Ablehnung von Pränatal-Diagnostik, welche sie als behindertenfeindlich bezeichnen. Denn natürlich muss es das Recht jeder Schwangeren sein, entscheiden zu können, ob sie ein Kind bekommen möchte, welches eine körperliche Einschränkung haben wird – ebenso wie es ihr Recht sein muss, ein Kind nicht zu bekommen, welches höchstwahrscheinlich gesund sein wird. Es muss auch ihr Recht sein, so viele Informationen zu erhalten, wie sie das möchte.

Für das Recht auf Abtreibung – und die Vergesellschaftung der Hausarbeit

Und gerade am Beispiel von Kindern mit körperlichen Einschränkungen zeigt sich, dass das Recht auf Abtreibung nicht ausreicht: Es muss auch dafür gekämpft werden, dass Kindererziehung und -versorgung nicht Aufgabe von individuellen Frauen ist, sondern dass diese Aufgaben sozialisiert werden. So erst wird die tatsächliche Freiheit von Frauen erreicht, sich für oder gegen Kinder zu entscheiden.

Frauen von Brot und Rosen in der Revolutionär-kommunistischen Jugend nahmen mit eigenem Flyer und Transpi an der „What the Fuck“-Demo teil und verteilten ihn auch auf der anderen Demo. Sie forderten:

Wir fordern ein Recht auf kostenlose Abtreibung, ohne Zwangsberatungen, Fristen, Indikationen und Tabuisierung. Beratungen für Frauen sind gut und wichtig – aber nur, wenn sie ohne Zwang und im Sinne der Frauen erfolgen. Außerdem fordern wir kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln und bessere sexuelle Aufklärung. Aber dies reicht nicht aus. Eine wahrhaft freie Entscheidung von Frauen über ihren Körper und ihre Schwangerschaft ist nur dann gewährleistet, wenn Hausarbeit und Kinderbetreuung vergesellschaftet sind. Solange wir Frauen für die Sorge- und Hausarbeit zuständig gemacht werden, solange wir unterbezahlt sind, solange ein Kind die noch größere wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Mann bedeutet, kann es keine wirklich freie Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft geben.

Gleichzeitig fanden auch andere Demonstrationen statt: Gegen CETA und TTIP gingen nach Polizei- und Veranstalterangaben 70.000 Menschen auf die Straße. Dazu gehörte auch eine Fahrraddemo. Außerdem machte die NPD morgens eine Wahlkampftour durch Süd-Neukölln, wogegen sich Widerstand formierte.

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