Brauchen wir die Linkspartei im Kampf gegen Rechts?

24.11.2024, Lesezeit 9 Min.
1
Foto: Simon Zinnstein

Während das Scheitern der Ampel besonders auf Länderebene zu einer Stärkung der AfD geführt hat, erfährt auch die Partei Die LINKE wieder Beachtung – aktuell, besonders von StudisGegenRechts an den Hochschulen.

Der Rechtsruck geht um in der Welt. Schon bevor Trump erneut in das Präsidentschaftsamt der USA gewählt wurde und die Ampel zusammengebrochen ist, zeichnete sich eine tiefe Krise und Rechtsentwicklung der Gesellschaft ab. Die Asylrechtsreform der Ampel, die intensivierte Repression gegenüber der Palästinabewegung, Angriffe auf das Streikrecht sowie andere demokratische Grundrechte. Nicht erst seit von Neuwahlen die Rede ist, wächst auch das Bedürfnis, gegen den Rechtsruck zu kämpfen. Während das Scheitern der Ampelparteien besonders auf Länderebene zu einer Stärkung der AfD geführt hat, erfährt auch die Linkspartei wieder Beachtung – aktuell, wie es scheint, besonders an den Hochschulen.

So geht das Widersetzen-Bündnis, das im Sommer unter anderem die Blockade des AfD-Parteitages in Essen organisiert hat, aktuell in dem vom Die Linke.SDS (Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband) geführten Hochschulbündnis Studis gegen Rechts (SgR) auf. Das Bündnis verfolgt zweierlei Ziele. Zum einen, den AfD-Bundesparteitag durch ‚Widersetzen‘ zu verhindern, zum anderen, den Rechtsruck durch die Stärkung der Linkspartei zu bekämpfen.

Der Kampagnenplan ist straff: bereits jetzt fing, zumindest hier in Berlin, der Wahlkampf für Linksparteikandidaten Ferat Koçak im Rahmen von Haustürgesprächen im Bezirk Neukölln an. Die Unterstützung der Partei verfolgt grundsätzlich die Logik des ‚geringeren Übels‘, die Hoffnung dieser Strategie wird allerdings auch durch die vermeintliche Erneuerung der Partei nach dem Parteitag im Oktober befeuert. 

Als geringeres Übel bezeichnen wir eine Strategie, die darauf abzielt links-der-Mitte Parteien – auch wenn sie ein unzureichendes Programm vertreten oder gar verräterische Politik machen – zu unterstützen, da sie im Parlament oder in einer Regierung immer noch besser wären als rechte Parteien.

Dass eine AfD-Regierung, oder auch eine Neuauflage der GroKo, fataler wäre als eine Regierung unter Linksbeteiligung ist wahrscheinlich. Doch dürfen wir die Linkspartei nicht als die einzig Llnke Kraft verstehen, dürfen sie nicht als abstrakte Mauer gegenüber rechteren Parteien verstehen, sondern müssen uns mit ihrer tatsächlichen Politik auseinandersetzen.

So lässt sich erkennen, dass die Partei selbst von Jahr zu Jahr nach rechts rückte, um Regierungsposten nicht zu verlieren, während sie ihre Wähler:innenschaft mit kleinen Zugeständnissen bei sozialen Themen hinhält. Wie die niedrigen Wahlergebnisse zeigen, ohne Erfolg. Auf dem Parteitag wurde beispielsweise an der pro-NATO-Haltung der Partei, die sich mit dem Ukraine-Krieg etabliert hat, festgehalten. Gegen den Genozid in Palästina wurde sich nicht eindeutig positioniert. Auch zu anderen drängenden Fragen des Rechtsrucks, allen voran dem krassen Rassimus, kann sich die Partei nicht als linke Alternative darstellen, hat sie doch selbst Abschiebungen mitgetragen innerhalb von Regierungsbeteiligungen, zum Beispiel in Thüringen.

Obwohl der Aufschwung der AfD, der sich in Massenprotesten von Neonazis auch auf den Straßen widerspiegelt, und der allgemeine Rechtsruck in Politik und Gesellschaft, besonders als innenpolitischer Ausdruck der deutschen Außenpolitik und der globalen Kriegen und Krisen zu verstehen ist, fokussiert die Linkspartei ihren Wahlkampf als auch ihre vermeintliche Erneuerung abseits von diesen Themen. In einer Mobilisierungsnachricht aus dem StudisGegenRechts-Kanal heißt es, „Nam Duy Nguyen rettete die sächsische Linke.“ Doch eine Linke, die Fragen von Rassismus, Krieg und Genozid; vom allgemeinen Elend des Kapitalismus einfach ausspart, ist keine Rettung, sondern selbst Asudruck einer Anpassung an rechte Politik. Sie bietet der Jugend, Arbeiter:innen und Unterdrückten keine kämpfenswerte Zukunftsperspektive, sondern schürt Illusionen in den bürgerlichen Staat, der mit Sparmaßnahmen, Repression und Angriffe auf das Streikrecht und Meinungsfreiheit immer mehr im Begriff ist, uns seiner ausbeuterischen und unterdrückerischen Politik zu unterwerfen. So schafft es weiterhin nur die AfD, und in Teilen das BSW, als Alternative zum Establishment, also der Ampel-Politik zu agieren.

Die Rechtsentwicklung der Linkspartei wird nicht nur von der Partei selbst, sondern auch vom Widersetzen-Bündnis, bzw. Studis gegen Rechts ignoriert. Stattdessen soll ein breiter Minimalkonsens, der sich primär gegen die AfD richtet, dafür sorgen, breite Massenmobiliserungen zu ermöglichen. Während wir es begrüßen, dass tausende Studierende deutschlandweit gegen Rechts aktiv werden wollen, sehen wir es als zentral an, wichtigen Fragen in diesem Kampf nicht aus dem Weg zu gehen und innerhalb breiter Bündnisse intensiv zu diskutieren.

Denn es sind nicht nur fehlende Gespräche mit Studierenden und das Wissen um funktionierende Ansprachen („Organizing“), die einer breiten Mobilisation für linke Projekte im Wege stehen. Es ist auch das kontinuierliche Scheitern der Linkspartei, auf brennende Fragen, die die Jugend oder Arbeiter:innen bewegen, einzugehen, und alltägliche Probleme wie teure Mieten mit der Krise des kapitalistischen Systems, die sich auch in der mörderischen deutschen Außenpolitik ausdrückt, in Verbindung zu setzen.

In ihrer Pressemitteilung zur Bundestagswahl schreibt der neugewählte Vorstand: „Die Linke steht bereit. Bereit für soziale Gerechtigkeit, Frieden, Klimaschutz und den Kampf gegen Ungleichheit. Der Kampf um die Plätze links der Mitte ist eröffnet“. Eine minimale Ansprache, die die oben erwähnten Resolutionen, zum Beispiel zur NATO und zu Palästina, bereits diskreditieren. Statt einer klaren Ansprache und einem klaren Programm wird sich mit vagen Bekenntnissen zu Frieden und sozialer Gerechtigkeit links der Mitte positioniert. Der Kampf gegen Rechts, als auch die Klassenfrage bleiben gänzlich unerwähnt.


Erst letztes Jahr hat sich als Antwort auf den Genozid in Palästina eine dynamische  internationale Studierendenbewegung gebildet, die die Wichtigkeit von Studierenden im Kampf gegen Imperialismus und Krieg zeigt. Gleichzeitig zeigt die Palästinabewegung, deren Politik sich gegen Kernursachen des Rechtsrucks stellt, dass auch fortschrittlichere Positionen massentauglich sind und den Kampf gegen Rechts über einzelne Blockadeaktionen hinaus praktisch machen und auf die Straßen und an die Universitäten tragen.

Dem Beispiel müssen wir folgen und den Kampf gegen rechts nicht nur als Abwehrstrategie zu verstehen, sondern an den Orten wo wir sind offensiv zu führen. Im Gegensatz zu einer Stellvertreterpolitik, wie sie auch die Linke führt, sehen wir, dass überall im Alltag politische Prozesse passieren, Entscheidungen getroffen werden, an denen wir teilhaben wollen. Wir wollen nicht für eine Partei kämpfen, die mit oder für uns spricht. Wir wollen selbst sprechen. Obwohl Haustürgespräche und Nachbarschaftsversammlungen dahingehend kein falscher Ansatz sind, setzt die Linke weiterhin auf Parlamentarismus, statt politische Kämpfe tatsächlich auf die Straße und in die Betriebe zu tragen.

Um selbst zu sprechen und unserer Stimme Kampfkraft zu verleihen, ist es zentral, dass wir uns organisieren. Doch diese Organisierung sollte nicht an die Wahlunterstützung einer Partei bedingt sein, sondern demokratisch unsere Bedürfnisse ermitteln, als auch den Entscheidungsraum dafür bieten, herauszufinden, welche Art von Politik wir dem kapitalistischen System entgegensetzen wollen. Das heißt, dass wir als Studierende an den Universitäten selbst zusammenkommen und dort diskutieren, welche Politik wir brauchen, was für eine Universität wir wollen, wie der Rechtsruck uns dort begegnet, welche Rolle unsere Forschung darin spielt, und wie wir dort den Kampf aufnehmen können, und mit welchem Ziel. So bekäme StudisGegenRechts einen Komiteecharakter, der Studierenden sowie verschiedenen Initiativen und Organisationen ermöglichen würde, offen ihr Programm vertreten und diskutieren zu können.

Für diese Perseptive schlagen wir programmatische Forderungen vor, die das Kernproblem der kapitalistischen Krise auf- und angreifen, und die im Dienste von Studierenden und Arbeiter:innen stehen, und nicht nur der kleinen Kapitalistenschicht oder Parteioberhäuptern:

– Wir wollen Arbeitskämpfe die antirassistische und feministische Forderungen mit aufnehmen und nicht bei Lohnfragen bleiben

– Erhalt von allen Arbeitsplätzen

– Löhne und BAFÖG, die sich an die Inflation anpassen

– Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, Aufteilung der Arbeit auf alle arbeitsfähigen Mitglieder der Gesellschaft

– Ein Gesundheitssystem unter Kontrolle der Beschäftigten und Patient:innen, das in der Lage ist, alle Menschen der Gesellschaft zu versorgen, und das auch international

– Wir wollen ein freies Palästina und ein Ende von Waffenlieferungen

– Bleiberecht und volle soziale und politische Rechte für alle Geflüchteten und Migrant:innen

– Wir wollen offene Grenzen und sichere Fluchtrouten

– In Berlin fordern wir den Rücktritt des Unipräsidiums, das seine eigenen Studierenden angezeigt hat und ihre Bildung als auch den Aufenthaltsstatus gefährdet und uns das Recht auf Protest streitig machen will. Stattdessen wollen wir, dass die Universität von Beschäftigten und Studierenden selbst und demokratisch gewählt geführt wird.

Mit diesen programmatischen Vorschlägen wollen wir von RIO und Waffen der Kritik als Teil eines sozialistischen Wahlbündnisses außerdem im kommenden Jahr bei der Bundestagswahl antreten. Wir wollen revolutionäre Kandidaturen nutzen, um Widerstand gegen die aktuelle und künftige Regierungspolitik und den Aufstieg der extremen Rechten zu formieren, gestützt auf Aktionen und Versammlungen von Arbeiter:innen und Jugendlichen. Wir wollen sie nutzen, um sozialistische Ideen von Rätedemokratie und Planwirtschaft zu verbreiten, die allein dazu in der Lage sind, der Perspektivlosigkeit der bürgerlichen Parteien eine positive Zukunft entgegenzusetzen. Dafür gibt es keine Zeit zu verlieren. Wir rufen alle Aktivist:innen und Organisationen, die diese Perspektive teilen, dazu auf, mit uns in Verbindung zu treten.

Mehr zum Thema