Red Brain Nr. 9: Gegen Merkels Spardiktat für Griechenland!
Red Brain ist eine linke, antikapitalistische SchülerInnenzeitung, die von einer unabhängigen SchülerInnengruppe (in Zusammenarbeit mit RIO) am John-Lennon-Gymnasium in Berlin-Mitte herausgegeben wird. Die Ausgabe gibt es als PDF, die einzelnen Artikel gibt es unten:
Internationale Solidarität!
Wie ihr bestimmt schon gemerkt habt, hat sich unsere Zeitung um zwei Seiten erweitert. Da die Mitgliederzahl unserer Gruppe stetig steigt, haben wir jetzt die Möglichkeit ergriffen, unsere Zeitung auszuweiten, um einerseits mehr Artikel reinzubringen und andererseits mehr Informationen in einen Artikel zu bekommen.
Wenn ihr Interesse an einer noch größeren Zeitung habt, könnt ihr Euch uns anschließen oder Artikel an Red Brain schicken. Weiterhin freuen wir uns über konstruktive Kritik eurerseits. Sprecht uns persönlich an, schreibt uns per E-mail oder kommt zu unserem Treffen jeden Freitag um 16 Uhr im BAIZ (Christinenstr./Torstr.).
Auch wollen wir hier Solidarität mit den Bildungsprotesten in Valencia (Spanischer Staat), die mit massiver Polizeigewalt und Repression zu kämpfen haben, aussprechen. Die friedlichen Demonstrationen gegen die Kürzungen im Bildungssystem der letzten Wochen wurden gewaltsam von der Polizei niedergeschlagen. Es gab mehrere Verhaftungen und viele Verletzte.
Auch Schüler und Lehrer des JLG haben letztes Jahr gegen Kürzungen im Bildungssystem demonstriert. Die DemonstrantInnen in Valencia haben also die selben Interessen wie wir – und den selben Feind in Form des staatlichen Repressionsapparates. Deshalb: Hoch die internationale Solidarität!
Eure Red Brain-Redaktion
Gegen Merkels Spardiktat für Griechenland!
Erst die Immobilienkrise, dann die allgemeine Wirtschaftskrise und jetzt die Eurokrise – oder sollte man nicht doch lieber Systemeinsturz sagen? Oder doch lieber Schulden, Schulden, Schulden, Krise, Krise, Krise, Kapital, Steuern, Steuerhinterziehung, Banken, Betrug, bla bla bla…
Es scheint schwierig zu sein, die genauen Gründe für die Krise zu finden, die sich seit 2008 an immer neuen Orten der Welt unter immer anderen Namen bekannt macht, wenn man nicht gleich behaupten will, dass das Gesamtpaket unseres Systems daran Schuld ist.
Aber genau das tut Red Brain, wie viele andere auch. Was auch immer diese hochintelligenten Menschen gemacht haben, die angeblich die Krise verschuldet haben und alles so verdreht und verschnörkelt haben, dass keineR mehr durchblickt, am Ende bekommt doch wieder nur die lohnabhängige Bevölkerung die Auswirkungen zu spüren. In Griechenland beispielsweise kam die Krise angeblich in allererster Linie durch Steuerhinterziehung zustande. Dass fehlende Steuereinnahmen allein keine so große Krise verursachen können, wird außer Acht gelassen. Dort muss die Durchschnittsbevölkerung nun Lohnsenkungen von 50% hinnehmen – und das bei fast so hohen Lebenshaltungskosten wie in Deutschland.
Haben die doch verdient, oder? Das sind doch faule SüdeuropäerInnen – so hetzt jedenfalls die bürgerliche Presse seit Monaten über die GriechInnen. Tatsache ist jedoch, dass griechische ArbeiterInnen laut offiziellen Statistiken eine deutlich längere Arbeitswoche haben. Spiegel Online stellt in einer Umfrage fest, dass 77% der GriechInnen glauben, dass die Deutschen ein Viertes Reich wollen. Kein Wunder, wenn man sich die Politik der EU, die zur Zeit hauptsächlich von Frankreich und Deutschland geführt wird, anschaut.
Auf Druck der EU löste Ex-Regierungschef Papandreou seine Regierung auf und es wurde ohne Neuwahlen eine neue Regierung aus drei Parteien (SozialdemokratInnen, Konservativen und Rechtsradikalen) gebildet. Der deutsche Finanzminister Schäuble sagt sogar offen, dass er Wahlen für „ungünstig“ halten würde. Die Angst davor, dass Parteien an die Macht kommen, die sich nicht mehr vom Diktat des europäischen Kapitals leiten lassen, scheint groß zu sein.
Man sieht immer wieder, dass der Reformismus keine großen Veränderungen bringen wird. Deshalb ist die griechische Bevölkerung im Prinzip auf Selbstverwaltung angewiesen, um nicht wieder in den sich immer wiederholenden Strudel der Kapitalkrisen zu fallen. Einige fangen schon an, ein klares Zeichen gegen die aktuelle Politik zu setzten. In der nordgriechischen Stadt Kilkis zum Beispiel haben die MitarbeiterInnen eines Krankenhaus die Einrichtung unter ArbeiterInnenkontrolle gestellt oder in der wirtschaftsstarken Region Aspropyrgos wurde eine Metallfabrik von den ArbeiterInnen besetzt.
Die sich seit Monaten verschärfenden Straßenkämpfe mit unzähligen TeilnehmerInnen, in denen mittlerweile sogar die Feuerwehr gegen die Polizei kämpft, sind auch Ausdruck für die Unzufriedenheit der Bevölkerung gegenüber der nichtdemokratischen, kapitaltreuen Politik der EU und der griechischen Regierung.
Wir müssen deutlich machen, dass wir die Politik „unserer“ Regierung, die die Massen in Griechenland in Armut stürzt, keineswegs unterstützten. Unsere Solidarität gilt den Millionen ArbeiterInnen und Jugendlichen in Griechenland, die gerade gegen die Kürzungen auf die Straße gehen.
Zehntausend gegen Nazis in Dresden
Vom 13. bis zum 15. Februar 1945 wurde Dresden von den Alliierten in vier massiven Angriffswellen bombardiert. Dabei starben nach neusten Schätzungen ca. 25.000 Menschen.
Diese Bombardierung benutzen die (Neo-)Nazis, um die Deutschen als Opfer des Zweiten Weltkriegs zu präsentieren und stellen die Bombardierung mit dem Holocaust gleich („Bombenholocaust“). Sie relativieren dadurch die Verbrechen der FaschistInnen im Zweiten Weltkrieg.
Seit 1998 demonstrierten die (Neo-)Nazis in Dresden. Über die Jahre wuchsen die Demos auf bis zu 6.500 Rechtsradikale. 2010 konnte der Aufmarsch der 5.000 FaschistInnen das erste Mal durch mehrere tausend engagierte AntifaschistInnen verhindert werden. 2011 wurde der Aufmarsch ebenfalls von circa 20.000 GegendemonstrantInnen blockiert.
Dieses Jahr wurde von den Nazis für den Montag (13.2.) mobilisiert und die Mobilisierung für die Großdemonstration an dem Samstag (18.2.) offen gelassen. Am Montag fuhren Busse aus Berlin und auch aus vielen anderen deutschen Städten nach Dresden, um auch diesen Aufmarsch zum Desaster zu machen. Rund 1.000-1.500 Nazis hatten sich in Dresden eingefunden. Durch viele kleinere Blockaden und massenhafte Proteste wurde ihre Demo trotz eines Polizeiaufgebots (etwa 4.500 PolizistInnen) zum Desaster.
Für den Samstag darauf wurde keine Demo der Nazis angemeldet. Doch an dem Tag (18.2.) setzten 10.000 AntifaschistInnen aus ganz Deutschland mit einer Demonstration noch mal ein Zeichen gegen Rechts. Damit dürfte den Nazidemos in Dresden endgültig ein Ende gesetzt sein.
Die erfolgreichen Blockaden waren ein großer Sieg gegen Opfermythen und Neonazismus. Doch der Kampf muss weitergehen, denn: „Nazis gibt’s in jeder Stadt: Bildet Banden, macht sie platt!“
Der Staat: Auf dem rechten Auge blind, auf dem linken Auge doof
Laut Klaus Ernst, dem Parteichef der Linkspartei, werden 42 Abgeordnete vom Bundesministerium für Verfassungsschutz (BfV) überwacht. Vorher hatte man angenommen, dass „nur” 27 Abgeordnete überwacht werden. Infos, die mit geheimdienstlichen Methoden beschafft worden sein könnten, finden sich beispielsweise in Gregor Gysis Akte. Aus diesem Grund sind mehrere Seiten für den Fraktionsvorsitzenden nicht einsehbar.
Das Innenministerium betonte bisher, dass das BfV nur öffentlich zugängliche Quellen von den Linken verwendete. Dies wiederum belegt, dass uns wieder einmal die Unwahrheit eingeflößt wurde, nur um uns klein zu halten und uns keinen Grund dazu zu geben, misstrauisch zu werden oder zu rebellieren.
Bundesminister Hans-Peter Friedrich bekräftigte seine Rückendeckung gegenüber dem Geheimdienst. Er sagt, dass Teile der Linken keine Probleme hätten, Straftaten zu rechtfertigen, etwa bei Demonstrationen.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) verlangte unterdessen eine Erklärung der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zu ihrer Kritik an der Überwachung. Kristina Schröder meint: „Wenn die Justizministerin gegen eine Überwachung ist, sollte sie auch sagen, wie sie sich eine Alternative vorstellt!” Zuvor hatte Leutheusser-Schnarrenberger geäußert, dass die Überwachung von Die Linke „unerträglich“ sei.
Aber nicht nur Mitglieder der Linkspartei werden überwacht, sondern auch linke AktivistInnen. Zum Beispiel wurden Handys aller Blockierenden ausspioniert. Aber sie werden nicht nur observiert: Viele der AktivistInnen haben jetzt auch Gerichtsverfahren am Hals, bei denen sie wegen antifaschistischer Zivilcourage angeklagt wurden.
Die Überwachung kommt nicht von irgendwoher. Dem Verfassungsschutz geht es um den Erhalt des kapitalistischen Ausbeutersystems. Denn während der Geheimdienst die Linkspartei und viele andere linke Menschen überwacht, werden Nazi-Terroristen einfach „übersehen“.
Yes we can – disappont you.
„Yes we can.“ Barack Obama war vor vier Jahren das Gesicht einer Hoffnung auf Veränderung. Veränderung der bisherigen Politik, die uns verdrossen und auch wütend werden ließ. Viele junge Menschen engagierten sich für Obama, weil sie gegen Kriege, Ungleichheit und Ungerechtigkeit etwas unternehmen wollten. Aber jetzt? Die #occupy-Bewegung ist entstanden, weil die Hoffnungen in Obama enttäuscht wurden. Vieles zeigt, dass wir einen Wandel brauchen. Die Frage ist nur: wie?
Man kann es wie der Präsident der USA ausprobieren und mithilfe des Parlamentes Guantanamo schließen, weltweit Atomwaffen abbauen und das Land mit einer Gesundheitsreform segnen. Zumindest im Wahlprogramm. In der Realität hat Obama kaum eins dieser Ziele erreicht. Warum nicht?
In erster Linie stellen sich die RepublikanerInnen und die Kirche gegen ihn. Also liegen die Probleme natürlich bei jenen, die alles so belassen wollen, wie es war, weil sie selbst davon profitieren. Bei den KapitalistInnen also. Zum zweiten sind Obamas Ziele nicht wirklich sozial. Er versucht noch nicht mal, echte soziale Gerechtigkeit zu schaffen, sondern möchte in erster Linie der amerikanischen Wirtschaft unter die Arme greifen. Darum ist es beinahe egal, ob es im Kongress eine Mehrheit für Obama gibt – seine Ziele sind nur minimal anders als bei jedem anderen Präsidenten der USA vor ihm. Denn die Probleme liegen beim kapitalistischen System.
Ein anderes Beispiel: 1970 gewinnt Salvador Allende mit einem Bündnis linker Parteien die Wahl in Chile. Er beginnt, Reformen voranzutreiben und der Bevölkerung geht es spürbar besser. Doch da er mit seinem reformistischen Kurs die KapitalistInnen nicht enteignet und keine Basisdemokratie aufbaut, schlagen diese zurück. Unterstützt von den USA wird die Regierung von Allende gestürzt, woraufhin im Namen der Menschlichkeit eine Militärdiktatur eingerichtet wird. 30.000 Menschen sterben alleine im ersten Jahr.
Das zeigt uns, dass die Demokratie der Deckmantel des Kapitals ist. Es wird ein Gefühl in uns erzeugt, nach dem wir die Macht haben. Aber wenn es wirklich gefährlich wird, merken wir, dass wir die Macht doch nicht haben, weil eine kleine Minderheit die Reichtümer der Gesellschaft kontrolliert. Im Klartext ist unsere Demokratie also eine Diktatur der Bourgeoisie, der besitzenden Klasse. Darum ist der Reformismus zum Scheitern verurteilt: Eine solche Diktatur wird sich niemals freiwillig absetzen lassen.
Wahlen zeigen nur die Reife der Bevölkerung, doch tiefgreifende Veränderung vermögen sie nicht. Friedrich Engels formulierte dazu: „Das allgemeine Stimmrecht ist […] der Gradmesser der Reife der Arbeiterklasse. Mehr kann und wird es nie sein im heutigen Staat; aber das genügt auch. An dem Tage, wo das Thermometer des allgemeinen Stimmrechts den Siedepunkt bei den Arbeitern anzeigt, wissen sie sowohl wie die Kapitalisten, woran sie sind.“
Für eine echte Veränderung brauchen wir die Revolution.
Red Brain-Glossar:
K wie Klasse
In unseren Artikeln taucht immer wieder das Wort „Klasse“ auf. Aber was genau soll man darunter verstehen?
Karl Marx unterteilte die Gesellschaft in zwei Hauptklassen. Dabei ging er von der Stellung derjenigen im Produktionsprozess aus. So ist die herrschende Klasse die Bourgeoisie, da ihnen die Produktionsmittel gehören, wodurch die selbst nicht zu arbeiten brauchen. Das Proletariat ist die unterdrückte, ausgebeutete Klasse. Sie besitzt nur ihre Arbeitskraft, die sie verkaufen muss, um am Leben zu bleiben.
Heute wird oft angeführt, der Marxismus sei aufgrund seines Klassenverständnisses veraltet („es gibt keine ArbeiterInnenklasse mehr“). Doch das Proletariat besteht nicht nur aus Fabrikarbeitern – die Klasse umschließt alle Lohnabhängigen, von der/m Putzfrau/mann bis zur/m Angestellten und macht somit die absolute Mehrheit der Menschen aus.
Nur die ArbeiterInnen sind durch ihre Stellung im Produktionsprozess in der Lage, die Produktionsmittel zu übernehmen und die Wirtschaft demokratisch, im Sinne der Bedürfnisse der Menschen zu verwalten. So bilden sie die Grundlage für die Überwindung des Kapitalismus.
Auch wenn das Proletariat heute zu großen Teilen nicht die Notwendigkeit einer Revolution einsieht, ist es eben jenes Proletariat, welches mit einer Revolution die wahre Demokratie erkämpfen und die Klassengegensätze aufzulösen hat. Deswegen setzen wir uns als Red Brain für die Einheit von Jugendlichen und ArbeiterInnen ein, weil wir besonders die ArbeiterInnenklasse für die Revolution gewinnen wollen.
Gegen ACTA! Gegen Überwachung und Zensur im Internet!
Spätestens seit den überraschend großen Protesten in den letzten Wochen dürfte jedem und jeder bekannt sein, dass sich wieder etwas Großes anbahnt: ACTA, ein internationaler Vertrag, der schon seit mehreren Jahren in teils geheimen Treffen verhandelt wird, bedeutet hauptsächlich eins: Den Verlust der Freiheit im Internet.
Fakt ist: ACTA sieht Maßnahmen vor, die das Internet einschränken. So soll eine Überwachung des Netzwerkverkehrs mit derselben Technologie, die in China zur Blockierung von „gefährlichen Meinungen“ eingesetzt wird, benutzt werden. Die europäische Kommission sieht hinter den organisierten Protesten antidemokratische Motive und versucht mit allen Mitteln, das europäische Parlament so zu beeinflussen, dass es ACTA ohne Verzögerungen unterschreibt. Davor wurden aber die Verhandlungen von nicht gewählten „Vertretern“ geführt.
Zeitgleich läuft überall in der Welt die Propagandamaschine an, um zu versuchen, den Protesten ihre Legitimation zu entziehen. Man unterstellt den GegnerInnen, sie würden nur weiter umsonst Musik und Spiele „raubkopieren“ wollen. Was sind jetzt die Ursachen für die vielbeschworene Politikverdrossenheit – wenn Meinungen diffamiert und manipuliert werden, sowie solche weitgreifenden Verhandlungen, ohne demokratische Kontrolle, im Hinterzimmer geführt werden?
Unsere demokratischen Forderungen nach Rücknahme von ACTA schränken die Profite der Kulturindustrie ein, und das wird auf härtesten Widerstand seitens der Konzerne stoßen. Das wird uns bei jedem demokratischen Protest passieren, und solange ein bürgerlicher, kapitalistischer Staat existiert, der diese Profite schützt, kann jeder Fortschritt auch wieder zurückgenommen werden.
Die einzige Möglichkeit, Freiheit der Information und der Kultur zu erkämpfen und zu bewahren, ist es diesen Staat zu zerschlagen – ihn zu ersetzen durch eine Republik, die auf den Organen der direkten Selbstverwaltung der arbeitenden Massen aufbaut.
Schöne schlanke Welt: Eine feministische Angelegenheit
„Eine kulturelle Fixierung auf weibliche Schlankheit ist keine Obsession mit weiblicher Schönheit sondern eine Obsession mit weiblicher Unterwerfung.” – Naomi Wolf
Magersucht (anorexia nervosa), primär ein Problem westlicher Länder, ist wohl eins der ungreifbarsten und massivsten Phänomene, mit denen sich die Psychologie auseinandersetzen muss. Einer psychischen Störung liegen immer tiefliegende persönliche Ursachen zu Grunde, aber die Frage, warum jedes Jahr tausende von Frauen in Deutschland den Weg des Hungerns wählen, um mit diesen umzugehen, bleibt.
Ein verhungerter Körper in einer Überfluss-Gesellschaft ist paradox, was nicht allein der erbarmungslosen Diktatur der Schönheitsideale zuzuschreiben ist. So war die Krankheit in der Sowjetunion noch weitgehend unbekannt, als sie in Amerika bereits die Medien erreicht hatte.
Doch wenn die Gleichstellung der Frau heute größer denn je ist, warum sind dann 9 von 10 Erkrankten weiblich? Ist Magersucht also nur das Symptom und die Krankheit steckt im System?
Vielleicht lässt sich die Antwort durch das Reflektieren der Verbreitung dieser „Epidemie“ finden:
Fast zeitgleich mit den Frauen in den 60er und 70er Jahren, die sich von Familie, Haushalt und Unterwürfigkeit zunehmend emanzipierten, kam ein neues Schönheitsideal auf: das Model Twiggy, gefolgt von einer Armee von Skeletten.
Die Interpretation, den Magerwahn als Strategie des Patriarchats zu sehen, liegt da nicht fern. Eine sehr effektive Strategie, denn die Obsession über Schlankheit hat das Potenzial, Energiereserven, die für emanzipatorische Ziele genutzt werden könnten, bis aufs letzte aufzubrauchen. Der Neo-Feminismus scheint wie gelähmt zu sein.
Natürlich empfinden wir uns alle als sehr emanzipiert. Tatsächlich haben wir uns jedoch ein Korsett aus neuen Zwängen zugelegt, das Idealbild der modernen Frau, in dessen Schema die Essensverweigerung und Körperkontrolle perfekt passen.
Die Magersucht hält der weiblichen Geschlechterrolle den Spiegel vor und kann somit auch als persönlicher Protest in seiner brutalsten und ehrlichsten Form gesehen werden: Der anorektische Körper, einerseits Sinnbild für die extreme Befolgung sozialer Erwartungen, andererseits auch deren deutlichste Karikierung. Dieses Beispiel zeigt, dass der Sexismus noch präsent ist und bekämpft werden muss.
Zitat des Monats…
Den Armen liegt es ob, die Reichen in ihrer Macht und ihrem Müßiggang zu erhalten. Dafür dürfen sie arbeiten unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.
– Anatole France, Autor und Kommunist
Termine von Red Brain
* Treffen vom JLG-Aktionskomitee
jeden Montag, 16 Uhr, vor der Schule
* offenes Treffen von Red Brain
jeden Freitag, 16 Uhr, BAIZ
* Internationaler Frauentag
8. März, weltweit