Radikale Kampagne für das Recht auf Selbstbestimmung in Katalonien

03.02.2016, Lesezeit 4 Min.
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People hold "estelada" flags, Catalan separatist flags, during a gathering to mark the Calatalonia day "Diada" in central Barcelona September 11, 2014. Hundreds of thousands of Catalans were expected to throng the streets of Barcelona on Thursday to demand the right to vote on a split from Spain, with their ambitions boosted by an independence referendum scheduled for next week in Scotland. About half a million Catalans have signed up to dress in red and yellow, the colors of the Catalan flag, to form a "V" for "vote", organizers say, a show of support for the perceived right to decide on a status separate from Spain. REUTERS/Albert Gea (SPAIN - Tags: POLITICS TPX IMAGES OF THE DAY)

Seit Jahren kämpft die katalanische Bevölkerung für ihr Recht, über ihre Unabhängigkeit vom spanischen Zentralstaat entscheiden zu dürfen. Doch die bürgerliche Führung, seit neuestem mit Unterstützung der nationalistischen Linken, droht diesen Prozess auszubremsen.

Immer wieder gingen in den letzten vier Jahren Millionen von Menschen in Katalonien auf die Straße, um für ihr Recht auf nationale Selbstbestimmung einzutreten. Es entstand eine riesige demokratische Massenbewegung, neue politische und soziale Organisationen entstanden und eine große Politisierung machte sich unter der Bevölkerung breit. Kein Thema polarisiert so stark wie die Forderung nach Unabhängigkeit.

Das sah auch die spanische politische Elite, die sich die Verteidigung der Einheit des spanischen Zentralstaats auf reaktionärer Grundlage auf die Fahne geschrieben hat – samt der Unterdrückung der katalanischen Bevölkerung. Vor den Wahlen zum katalanischen Regionalparlament Ende September letzten Jahres suchte (und fand) der Noch-Ministerpräsident Mariano Rajoy (von der konservativen Volkspartei) dafür die Unterstützung von Obama, Merkel, Cameron und dem König Felipe VI..

Doch nach den Wahlen in Katalonien verschärfte sich die Situation noch weiter: Erstmals erlangten die Parteien, die für das Recht auf Selbstbestimmung eintreten, die parlamentarische Mehrheit. Dabei handelt es sich zum Einen um das bürgerliche Wahlbündnis „Junts pel Sí“ („Gemeinsam für das Ja“, JxSí) und zum anderen um die antikapitalistische Formation „Kandidatur für eine Volkseinheit“ (CUP). Nach Monaten der Verhandlungen und in letzter Minute stimmte die CUP einem Koalitionsvertrag zu, durch den sie einen Teil ihrer Parlamentsfraktion verliert und zur Stütze der Regierung wird. Im Gegenzug soll der Prozess zur Gründung einer katalanischen Republik in den nächsten 18 Monaten vollzogen werden.

Der Regierung sitzt der konservativ-nationalistische Carles Puigdemont vor, der schon nach wenigen Wochen in der Regierung seine Versprechungen von der Loslösung verwässert. Auf der sozialen Ebene verspricht er, die Kürzungs- und Sparpolitik der Vorgängerregierungen fortzusetzen und jede expansive Haushaltspolitik auf eine unbestimmte Zeit nach der Unabhängigkeit vom Zentralstaat zu verschieben.

Die Puigdemont-Regierung wird angeführt von der historischen Partei der katalanischen Bourgeoisie und ist die direkte Vertretung ihrer Interessen. Bis 2012 konnte sie sich sehr gut damit abfinden, Teil des Spanischen Staates zu sein. Doch nach dem Ausbruch der demokratischen Massenbewegung nahm sie deren Forderungen auf, um die Bewegung zu ersticken und im Gegenzug kleine Zugeständnisse von Madrid zu bekommen.

Die Mehrheit der antikapitalistischen Linken in Katalonien verstand die Parteien der Bourgeoisie jedoch immer als einen notwendigen Partner im Kampf gegen den spanischen Nationalismus und für die nationale Befreiung. Dabei erkannte sie jedoch nicht, dass die bürgerlichen Parteien kein Partner der katalanischen Massen ist, sondern der Feind aller demokratischen und sozialen Forderungen. Durch die passive Unterstützung der CUP konnte die Regierung sich von der kompletten Ablehnung, die sie im Zuge der Kürzungspolitik und Korruptionsskandale erfuhr, erholen. Die direkte Unterstützung als Teil der Regierung ist der letzte Schritt auf dem schon eingeschlagenen Weg hin zur vollständigen Kapitulation.

Auch die linksreformistische Partei Podemos verspricht eine klare Antwort auf die katalanische Frage. Zwar sammelten sie im Wahlkampf zu den nationalen Wahlen Ende Dezember mit der Forderung nach einem Referendum über die Unabhängigkeit Stimmen und konnten so in Katalonien die stärkste Kraft werden. Doch wenige Wochen nach den Wahlen ließen sie alle „roten Linien“ fallen, um der Sozialdemokratie eine Koalition vorzuschlagen. Wenn sie jetzt noch von einem Referendum reden, dann von einem ohne bindende Wirkung.

Angesichts dieser Situation hat unsere Schwesterorganisation Clase contra Clase, die die digitale Tageszeitung IzquierdaDiario.es herausgibt, eine aktive Kampagne für das Recht auf Selbstbestimmung gestartet. In ihrem Aufruf sagen sie:

Die demokratischen Forderungen lassen sich weder durch Verhandlungen und Abkommen mit den Parteien der katalanischen Bourgeoisie erfüllen, noch durch die Koalitionsgespräche unter Führung des Königs. Was es braucht, sind wirklich souveräne verfassungsgebende Versammlungen, von allen Menschen über 16 Jahren gewählt und mit abwählbaren Delegierten, die nur den Durchschnittslohn der Arbeiter*innen verdienen. Dort kann alles zur Diskussion gestellt werden, von der Monarchie über das Eigentum der Ressourcen und Unternehmen, bis hin zur Unabhängigkeit Kataloniens. Doch sie können nur durch eine große Mobilisierung unter Führung der Arbeiter*innenklasse erkämpft werden […] Deshalb brauchen wir eine Alternative, die eine Strategie der Arbeiter*innenklasse des gesamten Spanischen Staates aufwirft, um eine freie Föderation der Arbeiter*innenrepubliken zu erkämpfen, und kein „erneuertes“ Regime von 1978 mit erneuerten „verfassungsmäßigen Rechten für die Nationalitäten“.

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