Berliner Solidaritätskreises für die Beschäftigten bei Amazon." /> Berliner Solidaritätskreises für die Beschäftigten bei Amazon." /> „Prekäre Bedingungen gibt es in vielen Branchen“

„Prekäre Bedingungen gibt es in vielen Branchen“

17.02.2016, Lesezeit 4 Min.
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Amazon-Arbeiter*innen aus Deutschland und Polen treffen sich in Berlin. Ausweitung der Streiks nötig. Ein Gespräch mit Stefan Schneider, Mitglied des Berliner Solidaritätskreises für die Beschäftigten bei Amazon.

Warum kommen Amazon-Arbeiter*innen aus verschiedenen Ländern am Wochenende nach Berlin?

Vom 18. bis 20. Februar treffen sich Kolleg*innen aus Deutschland und Polen. Mit dabei sind Beschäftigte aus den Versandzentren in Bad Hersfeld, Leipzig und Brieselang sowie aus Poznań und Wroc­law. Es geht vor allem um einen direkten Informationsaustausch. Die internationale Vernetzung soll verbessert werden. Und die große Frage lautet, wie der langjährige Arbeitskampf bei Amazon gewonnen werden kann.

Zum Auftakt des Treffens findet am Donnerstag Abend eine öffentliche Podiumsdiskussion statt. Dort werden sich die Amazon-Kolleg*innen unter anderem mit Beschäftigten vom Botanischen Garten Berlin und von der BVG austauschen. Auch migrantische Gruppen sind dabei. Denn prekäre Arbeitsbedingungen gibt es ja nicht nur bei Amazon, sondern in vielen Branchen.

Ein erstes Treffen dieser Art fand im September vergangenen Jahres im polnischen Poznań statt. Was waren die Ergebnisse?

Das Treffen im letzten Herbst war eine erste Möglichkeit, Informationen aus den verschiedenen Standorten über Arbeitsbedingungen, Lohnverhältnisse und antigewerkschaftliche Strategien des Konzerns zu erlangen. Oftmals spielt Amazon mit Gerüchten, um die Arbeiter*innen zu verunsichern und die verschiedenen Standorte gegeneinander auszuspielen. Praktisch ununterbrochen wird mit der Schließung einzelner Standorte gedroht. Deshalb ist der Austausch so wichtig.

Beim letzten Treffen wurden ein regelmäßiger Informationsfluss etabliert sowie erste gemeinsame Aktionen im Weihnachtsgeschäft beschlossen. Das soll jetzt weitergehen.

Nach Poznań kamen viele ver. di-Mitglieder, aber keine Funktionär*innen der Gewerkschaft. Woran lag das?

Das hatte zwei Gründe. Zum einen sollte auch dort der direkte Austausch von Kolleg*innen zu Kolleg*innen im Vordergrund stehen. Bisherige Koordinationstreffen auf der Ebene der Funktionär*innen haben scheinbar nicht ausreichend dazu beigetragen, dass die Kolleg*innen sich untereinander kennenlernen. Zum anderen gibt es innerhalb von ver.di Konflikte darüber, wie mit der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza umgegangen werden soll, die in Polen in Konkurrenz zur ver.di-Schwester Solidarnosc steht. Gerade diese ist aber am Standort Poznań tonangebend. Die Amazon-Kolleg*innen an der Basis, denen am meisten an internationaler Vernetzung liegt, interessieren sich dafür aber unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit. Trotzdem sind in Berlin natürlich auch ver. di-Hauptamtliche eingeladen. Wir hoffen, dass sie zahlreich kommen.

Der Streik bei Amazon in Deutschland läuft seit über drei Jahren. Steckt der Arbeitskampf fest?

Es hat im vergangenen Jahr schon gewisse Erfolge gegeben, wie die Ausweitung der Streikbeteiligung auf neue Standorte. Außerdem wurden verstärkt Taktiken ausprobiert, den laufenden Betrieb zu stören, was stellenweise sehr erfolgreich war. Aber alle Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, sind sich einig, dass der Arbeitskampf weiter international ausgeweitet und der Standort Brieselang bei Berlin streikfähig werden muss.

Über Amazon hinaus haben die Gewerkschaften in Deutschland aber auch ein Strategieproblem. Immer mehr Betriebe wollen keine Sozialpartnerschaft mehr, und die Gewerkschaftsapparate klammern sich verzweifelt an die „gute alte Zeit“. Bisher konnten sie die Frage, wie Beschäftigte in besonders prekären Bereichen organisiert werden können, nicht beantworten. Und bei der aktuellen Ausweitung prekärer Arbeitsverhältnisse wird das Problem nicht kleiner, sondern größer.

In mehreren deutschen Städten gibt es Solidaritätskreise für die Amazon-Beschäftigten. Warum ist das Interesse so groß?

Der Konzern ist ein Vorreiter in Sachen prekäre Beschäftigung. Amazon nutzt alle gesetzlichen Tricks aus, um unsichere Arbeitsbedingungen voranzutreiben, aber auch um Gewerkschaften aus dem Betrieb herauszuhalten. Wenn das Unternehmen damit durchkommt, hat das Auswirkungen auf alle Branchen. Deshalb ist der Kampf bei Amazon von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Die Solidaritätskreise, die es in Leipzig, Kassel oder Berlin gibt, finden gerade deshalb, dass dieser Kampf gewonnen werden muss.

dieses Interview bei der jungen Welt

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