Podemos integriert sich weiter ins bürgerliche Regime
Die neoreformistische Partei Podemos im Spanischen Staat tritt als Minderheit in die sozialdemokratische Landesregierung von Castilla-La Mancha ein. Das ist ein weiterer Schritt hin zur Integration ins politische Regime.
Vor wenigen Tagen trat Podemos in die Landesregierung der sozialdemokratischen PSOE von Castilla-La Mancha ein. Dieser Schritt biete die Möglichkeit für eine „alternative Regierung“, wie sich Podemos-Anführer Pablo Iglesias ausdrückte.
Damit kehrt der Vorschlag einer gemeinsamen Regierung mit der PSOE gegen die konservative PP wieder zurück auf den Tisch. Schon nach den Parlamentswahlen im Dezember 2015 hatte sich Podemos das Ziel einer „Regierung des Wandels“ gemeinsam mit der PSOE auf die Stirn geschrieben und eine entsprechende programmatische Anpassung vollzogen. Die Idee wurde jedoch verworfen, als weder nach den Wahlen im Dezember 2015 noch im Juni 2016 eine Regierungskoalition gebildet werden konnte. Durch die Enthaltung der PSOE konnte die PP von Mariano Rajoy eine Minderheitsregierung aufstellen.
Doch in den letzten Monaten kam es zu einer Machtverschiebung innerhalb der PSOE zugunsten von Pedro Sánchez, der gegenüber einer Zusammenarbeit mit Podemos offener gestimmt ist als der Rest des sozialdemokratischen Establishments. Der Podemos-Führung zufolge schafft das die Möglichkeiten für eine politische Wende.
Der Ministerpräsident von Castilla-La Mancha, in dessen Regierung Podemos nun eingetreten ist, gehört allerdings zum rechten Flügel der PSOE. Zudem hat sich Pablo Iglesias in Einklang mit Sánchez gegen die Unterstützung des Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien am 1. Oktober ausgesprochen. Podemos hat diesbezüglich eine höchst unklare Position: Sie sprechen zwar vom Recht des katalanischen Bevölkerung, über ihre Zugehörigkeit zum spanischen Staat zu entscheiden. Doch tatsächlich stellen sie sich diesem demokratischen Recht in den Weg, indem sie eine Verhandlung mit dem Zentralstaat zur Bedingung erklären. Dieser jedoch ist der größte Feind jeglicher Unabhängigkeitsbewegungen der unterdrückten Nationen im spanischen Staat.
Das neue Abkommen stellt Pablo Iglesias als eine Annäherung der PSOE an den „Pol des Wandels“ im Gegensatz zum „Pol der Restauration“ der PP: „Sie hat erkannt, dass sie nicht alleine regieren kann und es ihnen nicht hilft, es mit der PP oder Ciudadanos zu tun“, erklärte er am Dienstag in einem Zeitungsartikel. Als Strategie gibt er deshalb aus: „Wir müssen erreichen, dass die PSOE weitere Schritte dahin tut, Verbündeter eines Pols der Veränderung zu sein und nicht Teil des Blocks der Restauration“.
Die Ablehnung der gesamten politischen Kaste und der Bruch von Millionen Arbeiter*innen und Jugendlichen mit ihrer traditionellen sozialdemokratischen Vertretung war eines der fortschrittlichsten Phänomene der 15M-Bewegung vor sechs Jahren. „Sie vertreten uns nicht!“ hieß es. Die Infragestellung des Zweiparteiensystems führte zu einer bis heute ungelösten Krise des Regimes.
Mit der direkten Beteiligung an einer Landesregierung der PSOE verschafft Podemos der angeschlagenen Sozialdemokratie neue Legitimation von links. Sollte es tatsächlich die „Generalprobe“ für eine zukünftige „linke“ Zentralregierung werden, wäre es der bisher größte Beitrag von Podemos zur reaktionären Erneuerung des bürgerlichen Regimes.
Die politische Mäßigung von Podemos hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Podemos entstand vor drei Jahren als reformistischer Ausdruck der 15M-Bewegung. Die neoreformistische Partei kanalisierte die Empörung der Jugendlichen und Arbeiter*innen von den Straßen hin zu den Institutionen. Seit mehr als einem Jahr regiert Podemos nun schon in Koalition mit anderen Gruppierungen die wichtigsten Städte im spanischen Staat und passte sich dabei an den Staatsapparat an. Von den versprochenen großen Veränderungen ging Podemos zur „effizienten Verwaltung“ der Städte über. Auch in den sogenannten „Rathäusern des Wandels“ werden Wohnungen zwangsgeräumt, die öffentlichen Schulden gezahlt, Geflüchtete abgeschoben, Migrant*innen verfolgt und die Auslagerung im öffentlichen Sektor bleibt bestehen.
Linke Strömungen innerhalb von Podemos wie die Bewegung „Anticapitalistas“ bezeichnen den Eintritt von Podemos in die Landesregierung von Castilla-La Mancha als einen „historischen Fehler“. Dabei kritisieren sie vor allem die konkreten Umstände der Regierungsbeteiligung und schlagen eine Zusammenarbeit mit der PSOE nur unter „besseren Umständen“ vor, in denen Podemos eine „Hegemonie“ besäße. Die aktuelle Erfahrung der Städte, in denen Podemos mit einer großen Mehrheit regiert (wie in Barcelona oder Madrid), zeigen jedoch, dass auch bei einer solchen „Hegemonie“ die Regierung des bürgerlichen Staates weiter im Interesse der herrschenden Klasse handelt.
Der neueste politische Skandal von Podemos sollte zur kritischen Reflexion unter jenen Teilen der europäischen Linken führen, die sich hinter dieses neoreformistische Projekt gestellt und dafür den Aufbau einer wirklich antikapitalistischen Linken der Arbeiter*innen und Jugendlichen hinten angestellt haben. Das Beispiel der Front der Linken und Arbeiter*innen (FIT) in Argentinien und die Präsidentschaftskampagne des Fabrikarbeiters Philippe Poutou der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) in Frankreich zeigen jedoch, dass es nicht notwendig ist, sein revolutionäres Programm anzupassen, um Massensektoren zu erreichen und zu mobilisieren.