Merkel & Co. zurückschlagen!
// Für die komplette Streichung der griechischen Schulden! NEIN zu allen Austeritätsplänen! Für eine ArbeiterInnenregierung! // Flugblatt von RIO zur Mobilisierung gegen die Troika am 3. Juli //
In den letzten Tagen hat die „Troika“ aus EU, IWF und EZB unter Führung des deutschen Kapitals ihre Erpressung der griechischen Regierung noch weiter verschärft. Obwohl Regierungschef Alexis Tsipras von Syriza angesichts des immer weiter steigenden imperialistischen Drucks am Mittwoch einen neuen Verhandlungsvorschlag nach Brüssel und Berlin geschickt hatte, der noch mehr als zuvor die vollständigste Kapitulation vor den deutschen Interessen bedeutete, beharrte die stärkste imperialistische Macht Europas auf ihrer Position: keinerlei weiteren Verhandlungen bis nach dem Referendum am 5. Juli.
Wie schon 2011, als der damalige Ministerpräsident der sozialdemokratischen PASOK, Giorgos Papandreou, ein Referendum zu den Austeritätsmemoranda ankündigte und danach auf Druck der Troika zurücktreten musste, fordern führende VertreterInnen der deutschen Regierungsparteien aktuell den Sturz der griechischen Regierung als Vorbedingung für weitere Verhandlungen. Gleichzeitig befeuern sie eine enorme Propaganda-Maschinerie, die Syriza allein für das Elend verantwortlich macht, in das die Troika die griechischen Lohnabhängigen, RentnerInnen und die Jugend mit ihren Kürzungsprogrammen gestürzt hat.
NEIN zur Troika – aber JA zu Syriza?
Merkel, Schäuble und Konsorten wollen ein Exempel an Syriza statuieren. Damit soll gezeigt werden, dass eine politische Änderung der „Krisenbewältigung“ mit dem deutschen Hegemon nicht zu machen ist. Nebenbei versuchen sie, den Preis der Ware Arbeitskraft und das Sozialsystem in Griechenland noch stärker zu drücken als bisher schon. Dies ist Teil der völligen politischen Unterwerfung Südeuropas unter deutsche Interessen. Dabei riskiert Deutschland auch größere Meinungsverschiedenheiten mit anderen imperialistischen Mächten, allen voran die USA, aber auch Frankreich, die vor einem „Grexit“ warnen. Hier wird sehr deutlich, dass es dem deutschen Kapital vor allem um seine geopolitische Machtstellung geht. Schärfere Konflikte auch zwischen den stärkeren imperialistischen Mächten sind dabei vorprogrammiert.
Die Unterwerfungsstrategie der deutschen Regierung kann auch nach hinten losgehen: Obwohl sich seit Monaten auf verschiedenste Szenarien vorbereitet wird, sind die Folgen eines „Grexits“ unkalkulierbar. Schon allein die Ankündigung des Referendums durch Tsipras ließ die Börsenkurse massiv fallen. Eine Kettenreaktion inklusive Zerbrechen der Eurozone ist nicht auszuschließen. Klar ist allein eins: Egal wie die Situation letztlich ausgeht, die griechische ArbeiterInnenklasse wird am stärksten getroffen.
Umso perfider ist die Rolle der deutschen Linkspartei: Zwar stellt sie sich für das Referendum am 5. Juli auf die Seite des NEIN-Lagers. Doch im Februar hatte sie im Bundestag für den „Kompromiss“ gestimmt, den der deutsche Imperialismus Syriza im Februar aufgedrückt hatte. Anstelle gegen jede Erpressung durch die deutsche Regierung vorzugehen, qualifizierte Gregor Gysi den Knebelvertrag vom Februar als einen „Bruch mit der Troika-Diktatur“. Doch nichts könnte ferner von der Wahrheit sein. Im angeblichen Namen der Solidarität mit Griechenland unterstützte die Linksfraktion im Parlament de facto die Pläne der deutschen Regierung. Sie schürten dabei ein blindes Vertrauen auf Syriza und ihre Strategie der Verhandlung, wie auch viele andere Teile der deutschen und europiäischen Linken. Aber Tsipras und Co. haben sich immer wieder von der Troika knebeln lassen, anstelle die Massen gegen die Troika-Pläne zu mobilisieren. Das zeigt: Ein „Nein“ zur Troika darf kein „Ja“ zu Syriza bedeuten.
Deshalb ist es unbedingt notwendig, die Politik der Troika nicht nur in Griechenland zu konfrontieren, sondern auch in ihrem Herzen hier in Deutschland anzugreifen. Eine breite Front gegen die Interessen des deutschen Imperialismus und in Solidarität mit den griechischen Massen muss aufgebaut werden. Wenn im Bundestag weitere Sparpakete gegen Griechenland beschlossen werden, müssen diese Abstimmungen verhindert werden. Solidarität mit den ArbeiterInnen, der Jugend und den RentnerInnen in Griechenland kann unter keinen Bedingungen die Zustimmung zu weiteren Austeritätsmaßnahmen bedeuten.In Deutschland und ganz Europa ist es notwendig, Massenmobilisierungen gegen die Demütigung der griechischen ArbeiterInnenklasse und der verarmten Massen zu organisieren – unabhängig davon, wie das Referendum ausgeht. Wir müssen die Lügen unserer herrschenden Klasse zurückschlagen und Schulter an Schulter mit unseren griechischen Klassenbrüdern und -schwestern gegen unseren gemeinsamen Feinde kämpfen: das deutsche, das europäische und das griechische Kapital. Denn diejenigen, die in Griechenland die ArbeiterInnenklasse ins Elend stürzen, treiben auch hier Prekarisierung und Verarmung voran. Aufgabe der Linken, RevolutionärInnen und GewerkschafterInnen ist es deshalb, die derzeitige Streikwelle mit der Perspektive der Ausweitung zum politischen Generalstreik gegen die deutsche Regierung und für die komplette Streichung der Schulden zu unterstützen. Echte Solidarität mit den griechischen Massen bedeutet der Kampf gegen den imperialistischen Hegemon in unserem eigenen Land.
Syriza hat das Mandat der griechischen Massen verraten
Die Troika will Syriza die Schuld an der verzweifelten Situation geben. Doch eins muss klar sein: Syrizas Schuld liegt nicht darin, der Troika zu viel Widerstand geleistet zu haben. Ganz im Gegenteil: Seit ihrem Amtsantritt im Januar hat die Tsipras-Regierung jede einzelne ihrer „roten Linien“ überschritten und fast alle Wahlversprechen gebrochen. Das Referendum selbst dient in keiner Weise der Organisierung eines Widerstands gegen den Terrorismus der Troika, sondern der erneuten Legitimation Syrizas für neue Verhandlungen. Dabei ist die Abstimmung selbst schon zu einer Farce geworden: Nicht nur hat die Troika das „Angebot“, über welches das Referendum befinden soll, längst zurückgezogen, sondern Syriza hat mit ihrem Vorschlag vom Mittwoch die Troika-Konditionen de facto schon akzeptiert, gegen die das Referendum angeblich gerichtet sei.
Worum es ihnen stattdessen geht: mit der Verelendung der griechischen ArbeiterInnen und verarmten Massen und dem Gespenst des Zusammenbruchs der Eurozone Druck auf die imperialistischen GläubigerInnen, allen voran Deutschland, auszuüben. Nur: Denen sind die Interessen der unteren Klassen noch gleichgültiger als Syriza. Für beide Seiten sind sie letzten Endes nur ein Wetteinsatz. Monatelang hat die griechische Regierung dem griechischen und ausländischen Großkapital Zeit gegeben, ihr Kapital außer Landes zu schaffen. Die aktuelle Bankensperrung, nach der pro Tag nur noch 60 Euro in bar abgehoben werden können – und sogar spekuliert wird, diese Grenze auf 20 Euro pro Tag abzusenken –, schadet vor allem den RentnerInnen, Arbeitslosen und Lohnabhängigen. Im Machtgerangel zwischen griechischem und deutschem Kapital werden sie zerrieben.
Nieder mit der reaktionären Kampagne der deutschen Regierung für das JA!
Die griechische Regierung spekuliert darauf, dass die Troika letztlich etwas nachgeben wird. Denn ein Rauswurf Griechenlands aus dem Euro könnte eine Krise in der gesamten Eurozone auslösen und die europäische Einheit gefährden. Doch die Propaganda der letzten Tage und die ungebrochene Härte von Merkel und Schäuble haben die Angst der Tsipras-Regierung vor dem möglichen Sieg eines JA im Referendum verstärkt. Deshalb haben diese mit dem Vorschlag vom Mittwoch angedeutet, das Referendum wieder zurückzunehmen. Aber das deutsche Kapital hat Blut geleckt und will unbedingt den Sturz der Regierung herbeiführen.
Deshalb wäre ein Sieg des JA-Lagers ein enormer Sieg für die Troika mit Deutschland an der Spitze. Er könnte zum Sturz der Tsipras-Regierung führen, was trotz der versöhnlerischen Politik Syrizas als eine Niederlage jeglichen Widerstands gegen die Diktate der Troika gesehen werden würde. Denn es wäre eine Niederlage von rechts, umgesetzt von der EU unter deutscher Führung und dem IWF. Deshalb muss die reaktionäre und imperialistische Kampagne der deutschen Regierung für das „Ja“ durch eine massive internationale Mobilisierung zurückgeschlagen werden.
Gleichzeitig darf das NEIN beim Referendum unter keinen Umständen ein JA für die Syriza-Politik bedeuten. Im Gegenteil muss NEIN heißen, die Troika und diejenigen rauszuwerfen, die ihre Interessen durchsetzen. NEIN muss zur unabhängigen Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse in Griechenland führen: gegen das ausländische und das griechische Kapital. Ohne einen vollständigen Bruch mit der Troika und jeglicher Austeritätspolitik wird ein NEIN die Niederlage nur aufschieben. Deshalb reicht es nicht, am Sonntag mit NEIN gegen die Troika zu stimmen, sondern es muss eine revolutionäre Alternative gegen die Klassenkollaboration von Syriza aufgebaut werden. Denn sonst gibt es im Referendum keine Seite, die die GläubigerInnen daran hindern wird, die griechischen Massen weiter zu versklaven.
Für die unabhängige Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse! Für die komplette Streichung der Schulden! Für eine ArbeiterInnenregierung!
Ein Notprogramm im Interesse der ArbeiterInnen und armen Massen, basierend auf von der Regierung unabhängigen Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse, muss neben Notfallmaßnahmen zur Wiederherstellung des Lebensstandards die vollständige und ersatzlose Streichung der Schulden, die Verstaatlichung des Außenhandels und des gesamten Bankensystems ohne Entschädigung und unter ArbeiterInnenkontrolle, die entschädigungslose Enteignung des Großkapitals, die ArbeiterInnenkontrolle der wichtigsten Betriebe und Industrien beinhalten. Damit die KapitalistInnen die Krise bezahlen, muss dieses Programm den Kampf für eine ArbeiterInnenregierung aufwerfen.
Diese sozialistische ArbeiterInnenregierung stellt in erster Linie die Frage nach dem Eigentum an den Produktionsmitteln und verstaatlicht diese. Für sie ist klar, dass eine Einführung der Drachme unter kapitalistischem Vorzeichen nicht nur reaktionär und nationalistisch wäre, sondern auch eine massive Verschlechterung des Lebensstandards der ArbeiterInnenklasse bedeuten würde. Gleichzeitig haftet sie nicht der Illusion an, dass eine ArbeiterInnenregierung länger Teil der „Institutionen“ sein oder mit ihnen kooperieren könnte. Denn die EU ist eine imperialistische Institution, die nicht reformierbar ist, sondern zerschlagen werden muss. Die Perspektive einer ArbeiterInnenregierung ist international und mündet in die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.
Dazu ist es jedoch notwendig, vollständig mit der Perspektive von Syriza zu brechen. In fünf Monaten an der Regierung hat sie gezeigt, dass ihre versöhnlerische Politik nur zu Passivität und Niederlage der ArbeiterInnenklasse führt. Demgegenüber darf die radikale Linke Griechenlands nun nicht länger warten, eine revolutionäre Alternative zur Syriza-Regierung aufzuwerfen, also eine revolutionäre Partei aufbauen, die sich dem Interesse des Kapitals entgegenstellt und ein Übergangsprogramm mit der Perspektive der sozialistischen Revolution entwirft.