Bürokratie der IG Metall zeigt sich solidarisch… mit den Konzernen
// Stolze SozialpartnerInnen: Zum Ergebnis der Tarifrunde in der Metall- und Elektro-Industrie //
„Die Solidarität, das Engagement und der bemerkenswerte Einsatz unserer Mitglieder haben sich gelohnt“, erklärte IG Metall-Oberbonze Berthold Huber nach dem Abschluss der Tarifverhandlungen der Metall- und Elektro-Branche in Baden-Württemberg, der jetzt bundesweit übernommen wird. Ein wirklicher Kampf – also ein Streik – hätte sich noch mehr gelohnt, denn das Ergebnis liegt nicht gerade nah an den noch vor kurzem notwendig genannten Forderungen. Eigentlich ist das jedoch keine besondere Überraschung – leider. Innerhalb des Gewerkschaftsapparats war schon vor Beginn der Tarifrunde eine Zielvorgabe so um die 4% kursiert. Die hohen Herrinnen und Herren der IG Metall hatten die Belegschaften in den letzten Wochen wieder einmal Gassi geführt, um Druck abzulassen. Da wurden kämpferische Reden gehalten: „Schaut her KollegInnen, wir machen was!“, war die Aussage an die Metall- und Elektro-Beschäftigten. Ja und es war für alle Glieder des riesigen Apparats sicher anstrengend, die Warnstreik-Wochen zu organisieren. Nur genützt hat es nichts.
Denn auch wenn bei den Warnstreikreden den KollegInnen noch vorgerechnet wurde, warum die 6,5% unbedingt drin sein müssten, war der Kurs schon festgelegt: auf Verhandlungen mit schlechtem Kompromiss. Oder besser gesagt: auf einen Kompromiss, der von den KollegInnen noch mit Murren akzeptiert werden würde. Mit der teilweise harten Überzeugungsarbeit quälen sich nun dienstfertige FunktionärInnen an der Basis, während sich die Gewerkschaftsspitze wieder „wichtigen“ Aufgaben zuwenden kann: vielleicht bei irgendeinem Empfang Schulterklopfer abholen. Denn ob vier oder sechskommafünf, ob neun Prozent oder Nullrunde – Leute wie IG Metall-Chef Berthold Huber kassieren ihr hohes Gehalt unabhängig von dem, was sie aushandeln.
Das Ergebnis „harter Verhandlungen“
Schon die Anfangsforderung war bescheiden: 6,5% Erhöhung, „faire Leiharbeit“ und unbefristete Übernahme der Auszubildenden. Das hieß: etwas Ausgleich angesichts der Preissteigerung der letzten Jahre (und der Nullrunde der IG Metall vor zwei Jahren), entrechtete KollegInnen im Betrieb nur nach mehr Gesprächen mit dem Betriebsrat und die neue Praxis des Ausgebildeten-Feuerns bitte zurücknehmen.
Erreicht wurden 4,3%, was zudem die MehrverdienerInnen weiter von den übrigen KollegInnen trennt. IngenieurInnen sollen etwa 200 Euro, FacharbeiterInnen etwa 100 Euro mehr bekommen. Je tiefer in der Lohngruppe, desto weniger hilft der Abschluss gegen die steigenden Preise. Die KollegInnen in Leiharbeit werden künftig kaum mehr als zwei Jahre im Betrieb beschäftigt werden, denn das Verhandlungsergebnis sieht danach automatische Übernahme in die Stammbelegschaft vor. Aus der Service-Tochter des Berliner Universitäts-Klinikums Charité z.B. kennen wir schon eine solche Übernahme-Regelung bei den Befristeten, die sich oft Alles gefallen lassen, weil sie sich die Übernahme sonst ganz abschminken können. Sie werden dann meist trotzdem gefeuert und durch neue Zweijährliche ersetzt. Nach diesem Abschluss bietet dies auch einen Blick in die Zukunft im Metall-Elektro-Sektor, wo aber ohnehin mehr als zweijährige Beschäftigung von LeiharbeiterInnen alles andere als Standard ist. Die als großartiger Sieg gefeierte Übernahme-Sicherheit für Azubis wurde für die Unternehmen gleich mit Schlupflöchern ausgestattet. Ausgebildeten, die ja alle ihre Prüfungen bestanden haben, kann immer noch die Übernahme verweigert werden, wenn die wirtschaftliche Situation genug Rechtfertigung bietet oder die fertigen Azubis als nicht geeignet etikettiert werden. Industrie-Verbandschef Kannegießer kommentierte dreist: „…ohne Leistungsbereitschaft wird das nicht gehen. Wer bei uns in ein Lehrverhältnis kommt, der geht nicht in eine Ruhematte, sondern er muss sich bewähren…“
Wer nicht kämpft, hat schon verloren
Mit solchen Bossen wird dann allerdings trotzdem am Verhandlungstisch ein nur für sie sehr gutes Ergebnis vereinbart, denn für die Gewerkschaftsbürokratie ist ein Arbeitskampf die gefürchtete „ultima ratio“, wie Berthold Huber es in seiner „kämpferischen“ 1. Mai-Rede ausdrückte. Aber gerade ein solcher Streik der stärksten Gewerkschaft in Deutschland hätte es möglich gemacht, der boomenden Metall- und Elektro-Industrie wenigstens die notwendigsten Forderungen aufzuzwingen. Auch wäre es ein Zeichen an Lohnabhängige aller Branchen gewesen, dass Kämpfen notwendig und möglich ist. Auch den geschundenen KollegInnen in Griechenland, dem Spanischen Staat oder Portugal hätte es ein Zeichen geben können: Wir ArbeiterInnen in Deutschland stehen nicht mit unseren profithungrigen Banken und Konzernen im Bunde! Doch die Furcht vor einer Kritik seitens der Konzerne, ihrer PolitikerInnen und der Presse, ist bei unseren FunktionärInnen stets größer als die Furcht vor Entrechtung und Verarmung von ArbeiterInnen in der Metallbranche. Kein Wunder eigentlich, können sich die großen FunktionärInnen immer noch eine Zukunft in Unternehmensführungen, Parteien oder Verbänden erhoffen, wenn ihr ArbeiterInnen-Vertreter-Sessel nicht mehr angenehm warm ist.
In dem sie Leiharbeit grundsätzlich akzeptiert, lässt die Gewerkschaftsbürokratie zu, dass die Belegschaften immer tiefer gespalten werden: in einen fest angestellten Teil mit einigen Rechten und prekarisierte Teile ohne Rechte. Dass sie einen Prozentpunkt Lohnerhöhung mehr ausgehandelt hat, als der UnternehmerInnenverband ursprünglich angeboten hat, nutzt wenig. So schrieb sogar Spiegel Online: „Es ging bei diesen Tarifverhandlungen gar nicht in erster Linie um einige Zehntel Prozentpunkte mehr oder weniger Gehalt. Der Lohnkostenanteil in der hochtechnisierten Metallindustrie liegt inzwischen so niedrig, dass es sich für die Arbeitgeber längst nicht mehr lohnt, deswegen einen flächendeckenden Streik zu riskieren. Lieber den Arbeitern etwas mehr zahlen, so die vorherrschende Logik, als zu riskieren, dass teure Maschinen während eines Streiks stillstehen und wichtige Aufträge verlorengehen.“ Durch die immer größeren Spaltungen in den ArbeiterInnenreihen ist das Kapital für die nächsten Angriffe besser aufgestellt, sobald sich die Krise verschärft.
Dieses Ergebnis zeigt besonders deutlich, wie wenig Lohnabhängige vom aktuellen Wirtschaftsaufschwung des deutschen Imperialismus profitieren. Während die Metallkonzerne Rekordprofite verzeichnen, bekommen MetallarbeiterInnen eine Lohnerhöhung, die vom Prozentsatz her gerade einmal der Inflation der letzten Jahre entspricht – und das nur unter der Bedingung, dass die Prekarisierung voranschreiten kann. Dabei handelt es sich um den bestorganisierten Sektor der ArbeiterInnenklasse in Deutschland, und zwar in dem Bereich, in dem die Profite auch am höchsten sind. Andere Sektoren unserer Klasse bekommen nicht einmal diese Krümel. Deswegen kann nur konsequente Solidarität mit den ArbeiterInnen in anderen Ländern Europas, die gerade auf Druck des deutschen Imperialismus angegriffen werden (der sich dadurch deutlich stärkt), die Rechte der ArbeiterInnen hierzulande verteidigen.
In diesem Sinne brauchen wir eine antibürokratische Bewegung an der Basis der Gewerkschaften, um die Bürokratie zu entmachten und die versöhnlerischen Apparatschiks aus unseren Gewerkschaften zu jagen. Es kann nicht sein, dass privilegierte FunktionärInnen so frank und frei unsere Zukunft verspielen. In der Metall- und Elektro-Industrie, wie auch in allen anderen Bereichen, müssen wir Initiativen der Selbstorganisation an der Basis als kämpferischen Gegenpol zum Verhandlungsfetischismus der sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsapparate aufbauen.