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„Bin ich Sexist oder was?“ Ja, bist du. 10 Tipps für linke Männer.

08.01.2016, Lesezeit 7 Min.
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Praktisch alle linken Männer erkennen an, dass es Sexismus gibt. Aber wenn man uns auf unser eigenes sexistisches Verhalten aufmerksam macht, reagieren wir oft beleidigt. Und das sollte nicht so sein. 10 Tipps für linke Männer. (Eine Antwort auf den Beitrag der Genossin Tabea Winter, die nochmal mit diesem Text geholfen hat.)

1. Akzeptieren

Patriarchale Unterdrückung existiert seit etwa 10.000 Jahren, seit der Entstehung des Privateigentums. Jede zwischenmenschliche Interaktion, seitdem wir die Augen aufgemacht haben, zeigt uns die angebliche Minderwertigkeit von Frauen auf. Wie sollten wir die Welt anders sehen als durch eine sexistische Brille?

OK, du bist links. Du hast „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ von Friedrich Engels gelesen. Super! Ein großartiges Buch! Aber glaubst du, dass du dich damit auf einmal und für immer von allen sexistischen Vorurteilen emanzipiert hast? Nein.

Also ja, auch du verhältst dich manchmal sexistisch. Akzeptiere es und arbeite dran!

2. Zuhören

Wenn man für sexistisches Verhalten kritisiert wird, ist die Reaktion fast automatisch eine defensive: „So war es doch nicht gemeint!“ „Wie kannst du das glauben!“ „Ich bin doch kein Sexist!“

In dem Moment sollte man stattdessen tief einatmen und nachdenken: OK, es war nicht sexistisch gemeint. Wieso wirkte es trotzdem so? Was kann ich nächstes Mal machen, damit eine Bemerkung nicht sexistisch wirkt?

Bitte versuche nicht Frauen zu belehren, was sexistisch ist und was nicht. Überhaupt musst du Frauen nicht immer versuchen, die ganze Welt zu erklären.

3. Selbstkritisch bleiben

Und auch wenn du nicht darauf angesprochen wirst, kannst du dich trotzdem fragen, ob du auf subtile Art und Weise Frauen abwertest: Schaue ich eine Frau komisch an? Unterbreche ich eine andere Person eher wegen ihres Geschlechts? Stehe ich einer Frau zu nah? Habe ich Körperkontakt (etwa am Arm), den sie vielleicht nicht möchte?

Es kann auch hilfreich sein, sich mit den Erfahrungen von Frauen auseinanderzusetzen. Lies doch zum Beispiel mal Berichte auf alltagssexismus.de.

4. Aufgaben bewusst verteilen

Wenn in linken Räumlichkeiten gekocht werden, melden sich oft viele Frauen „freiwillig“. Aber das hat mit einer bestimmten Sozialisation zu tun. Um dieser Sozialisation entgegenzuwirken, müssen wir Aufgaben bewusst verteilen. Das geht auch für Kinderbetreuung, Einkauf, Putzen… Aber genauso für politische Aufgaben. Spricht ein Mann auf dem Podium, während eine Frau nur moderiert? Schreibt ein Mann, während eine Frau Korrektur liest. Das kannst du alles hinterfragen.

5. … auch zu Hause

Unser Programm ist die Vergesellschaftung der Hausarbeit durch kommunale Küchen, Wäschereien, Kinderbetreuung, etc. Es ist eine bürgerliche Illusion, die Frauenbefreiung durch eine andere Verteilung privater Hausarbeit erreichen zu wollen.

Aber so lange es private Hausarbeit gibt, sollte sie nicht nur von Frauen erledigt werden. Den Antisexismus, den wir auf politischen Treffen pflegen, sollten wir auch nach Hause mitnehmen. Also wer passt auf die Kinder auf, wenn es eine politische Veranstaltung gibt? Eine gerechtere Verteilung macht es Genossinnen leichter, sich politisch zu organisieren.

6. Räume für Selbstorganisierung lassen

Manche linke Häuser haben besondere Räumlichkeiten für Frauen-Lesben-Trans-Menschen. Automatisch kommen die Beschwerden von vermeintlich linken Männern: „Ist das nicht einfach eine neue Form von Diskriminierung?“ Nein. Jeder Raum auf dem ganzen Planeten ist ein Männerraum, in dem du dich uneingeschränkt ausbreiten kannst. Auf den einen Frauenraum kannst du verzichten. Eigentlich bräuchte es noch viel mehr Frauenräume.

7. … aber keine Doppelbelastungen schaffen

Beim Kongress eines reformistischen Jugendverbandes gab es ein Frauentreffen: Hier konnten weibliche Mitglieder unter sich diskutieren. Eine tolle, feministische Sache! Was haben die Männer währenddessen gemacht? Saßen in der Kneipe und tranken Bier. Nicht so toll.

Frauen müssen sich die ganze Zeit mit Sexismus auseinandersetzen, ob sie wollen oder nicht. Das darf auf keinen Fall zu zusätzlichen politischen Aufgaben führen, von denen Männer befreit sind. Auf besonderen Frauentreffen muss auch nicht nur über die eigenen Erfahrungen als Frau diskutiert werden, sondern über alle Aspekte der Politik.

Während eines Frauentreffens können Männer unter sich über Sexismus reflektieren – solche Diskussionen sind oft ergiebiger, als man erwarten würde. Alternativ können sich Männer in der Zeit mit Reproduktionsarbeit beschäftigen.

8. Selbst aktiv werden

Sexistische Bemerkungen kriegt man ständig mit. Ist es nicht Sache der Betroffenen, es anzusprechen, wenn es ein Problem gibt? Ja und Nein. Natürlich müssen die Wünsche der Betroffenen im Mittelpunkt stehen. Aber man glaubt gar nicht, wie viele sexistische Vorfälle Frauen potentiell ansprechen könnten – locker 10.000 am Tag.

Und es ist nicht die Aufgabe von Frauen, 24 Stunden am Tag auf Sexismus hinzuweisen. Immerhin gibt es auch andere politische Themen. (Zudem die angeblich „harmlosen“ Witze sich nicht allzu selten in nackte Gewalt umwandeln, wenn sie kritisch angesprochen werden.) Deswegen solltest auch du als Mann einschreiten: „Das finde ich sexistisch und andere Menschen vielleicht auch.“

Du kannst es auch nach dem Rat von Twitter probieren: „Den Witz habe ich nicht verstanden. Kannst du die Pointe bitte für mich genau erläutern?“

9. Gegen sexualisierte Gewalt einschreiten

Das müsste eine Selbstverständlichkeit sein, aber passiert in dem Moment viel zu selten. Alle Menschen – aber besonders Männer – tragen eine Verantwortung dafür, sexualisierte Gewalt zu stoppen. Erst die Kultur des Wegschauens macht so viel Gewalt gegen Frauen möglich. „Das geht mich nichts an“, denken sich viele. Aber sexualisierte Gewalt geht uns alle an. Besondere Aufmerksamkeit brauchen wir in Kontexten, wo viele Menschen und/oder Alkohol im Spiel sind, zum Beispiel Partys. Es dauert nur ein paar Sekunden, um kurz zu fragen, ob sich alle wohl fühlen.

10. Keine dummen Witze!

Gerade die scheinbar „harmlosen“ Formen des Sexismus machen das Problem allgegenwärtig. „Das ist doch nur ein Witz – hast du keinen Humor?“ So will sich mancher Mann als Sexist und Antisexist gleichzeitig feiern lassen. Und er greift die Frauen noch einmal an, weil sie nicht über ihre Unterdrückung lachen wollen.

Mir hat es unglaublich gut getan als junger, frisch politisierter, linker Mann, nach einem sexistischen Witz richtig lange ausführlich kritisiert zu werden. Erst das unangenehme Gefühl hat mich dazu gebracht, über die Bedeutung meiner „Witze“ nachzudenken. Also ich hoffe, dass möglichst viele andere Männer diese Erfahrung machen können.

Fazit:

Natürlich werden wir mit unserem individuellen Verhalten allein die Unterdrückung der Klassengesellschaft nicht überwinden. Dazu braucht es eine revolutionäre Massenbewegung des Proletariats im Bündnis mit allen Unterdrückten. Aber mit einem antisexistischen Bewusstsein werden wir eine solche Bewegung besser aufbauen können. Denn diskriminierendes Verhalten schließt Menschen vom Aktivismus aus.

Nachtrag:

Das ist nur eine sehr kurze Liste. Bitte schreibt in den Kommentaren, was ich hier vergessen habe! Über heterosexuelle Beziehungen könnte man zum Beispiel noch ganz viel schreiben. Auch bezieht sich der Text nur auf Menschen, die sich als Männer oder Frauen verstehen. Es gibt noch viele zusätzliche Unterdrückungsformen und Vorurteile gegen Menschen, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen. Zum Schluss: Mit dem Beitrag möchte ich mich auch keineswegs reinwaschen. Auch bei mir lässt sich ständig sexistisches Verhalten erkennen. Ich versuche selbstkritisch damit umzugehen.

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