Warum Studis Arbeitskämpfe unterstützen sollten

08.02.2016, Lesezeit 4 Min.
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SOLIDARITÄT: Beim Botanischen Garten der FU Berlin sollen 31 Kolleg*­innen gekündigt werden. Doch gemeinsam mit Studierenden wehren sich die Beschäftigten.

Samstagabend im Botanischen Garten: Studierende zerstreuen sich im Gewächshaus und verteilen Flyer an Besucher*innen. Politik bei tropischer Atmosphäre und entspanntem Jazz. Das Interesse ist groß, viele Besucher*innen äußern ihre Solidarität. Einige weisen uns freundlich darauf hin, dass der Chef das wahrscheinlich nicht so gern sieht. Doch was uns sollte uns schon passieren? Wir arbeiten dort nicht. Wir haben keine direkten Angriffe auf unsere Lebensbedingungen zu befürchten.

Die Realität der Kolleg*innen sieht deutlich anders aus. Lohndumping, Outsourcing – nun droht die Freie Universität Berlin auch mit der Entlassung von 31 Kolleg*innen. Schon jetzt verdienen die Beschäftigten der FU-eigenen „Betriebsgesellschaft für die Zentraleinrichtung Botanischer Garten und Botanisches Museum (BG BGBM) deutlich weniger als ihre Kolleg*innen, die direkt bei der Uni angestellt sind.Kolleg*innen müssen ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken. Die Folgen für das Leben der Beschäftigten, für ihre Familien und Kinder, sind fatal. Doch die Universitätsleitung nimmt das billigend in Kauf.

Das gleiche Problem – ein gemeinsamer Kampf

Diese Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen sind allerdings kein Einzelfall. „Selbst bei der BVG haben wir mit Befristung zu kämpfen“, sagte ein Vertreter der Gruppe ver.di aktiv kürzlich bei einer gemeinsamen Solidaritätskundgebung. Auch bei Amazon kämpfen die Beschäftigten seit mittlerweile drei Jahren gegen die arbeiter*innenfeindliche Praxis des Konzerns. Diese Angriffe treffen vor allem junge Menschen, die neu in die Lohnarbeit einsteigen. Viele müssen heute in prekären Arbeitsverhältnissen den Lebensunterhalt bestreiten, d.h. sie sind befristet angestellt, verdienen wenig oder haben ständig wechselnde Arbeitszeiten.

Auch neben dem Studium sind viele Jugendliche aufgrund steigender Lebenshaltungskosten gezwungen zu arbeiten. Gewerkschaftliche Organisierung ist dort selten anzutreffen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die meisten Studierenden ihre Lebenssituation nur als vorübergehend betrachten. Doch auch nach dem Studium wird die Mehrheit von uns Teil der lohnabhängigen Klasse sein. Die Arbeitsbedingungen, die heute von den Kapitalist*innen durchgesetzt werden, werden uns somit früher oder später wieder einholen.

Die kämpfenden Kolleg*innen, egal ob bei Amazon, bei der BVG oder im Botanischen Garten, sind für uns vorbildhaft. Dabei wird auch die studentische Solidarität von den Kolleg*innen immer wieder positiv hervorgehoben. Sie kann den innerbetrieblichen Kampf unterstützen, aber sie kann ihn nicht selbst organisieren.

Wir können vor allem durch außerbetriebliche Kampagnen dazu beitragen, bestehende Kämpfe zu stützen, zu vereinigen und damit auf die politische Ebene zu heben. Denn der Kampf gegen Lohn­dumping und Outsourcing ist nicht nur ein Kampf der Beschäftigten im Botanischen Garten. Auch die Post hat im letzten Jahr tausende Beschäftigten in Subunternehmen ausgegliedert – zu schlechteren Bedingungen, versteht sich. Überhaupt gibt es kaum große Konzerne in Deutschland, die ohne Fremdvergabe von Aufträgen an Subunternehmen auskommen. Deutschland ist eben nicht nur Exportweltmeister, sondern auch Weltmeister im Lohndumping!

Die Gewerkschaften gehören uns!

Es sind die Arbeiter*innen und Jugendlichen, die immer stärkeren Angriffen auf ihre Lebensbedingungen ausgesetzt sind – auch im Studium selbst. Besonders die Bologna-Reform war ein enormer Schritt für die Ökonomisierung des Studiums – immer schneller studieren, immer weniger selber denken, Hauptsache fit für den Arbeitsmarkt! Von überfüllten Hörsälen und maroden Gebäuden mal ganz zu schweigen.

Umso notwendiger ist es, den gemeinsamen Kampf gegen Sozialkürzungen und im Bildungssektor aufzunehmen. Die Macht liegt bei den Arbeiter*innen. Sie können aufgrund ihrer materiellen Stellung den größten Druck auf die Kapitalist*innen und den Staat ausüben. Deshalb müssen wir uns heute schon in Gewerkschaften organisieren, bestehende Kämpfe unterstützen und die Selbstorganisierung kämpferischer Kolleg*innen an der Basis vorantreiben.

Denn Gewerkschaften als reine Bittsteller*innen sozialpartnerschaftlicher Politik waren in den letzten Jahren nicht zuletzt für die Prekarisierung von Millionen von Menschen mitverantwortlich – sei es bei der Agenda 2010, der Befristungspraxis oder des Streikrechts. Unser Kampf kann nur gewonnen werden, wenn wir die Gewerkschaften als gemeinsame Kampforganisation unser Klasse zurückgewinnen.

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