Erholt sich das angeschlagene mexikanische Regime?

23.01.2016, Lesezeit 5 Min.
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Nach seiner spektakulären Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis wurde der Chef des Drogenkartells von Sinaloa von mexikanischen Sicherheitskräften gefasst. Präsident Enrique Peña Nieto nutzt dieses Ereignis, um sein schwer angekratztes Image wieder aufzubessern. Doch die Krise des militarisierten und korrupten Regimes geht weiter.

Es handelte sich nicht um weniger als den meist gesuchten Drogenboss der Welt, der vor mehr als einer Woche im mexikanischen Los Mochis von Spezialeinheiten der Marine gefasst wurde. Joaquín „Chapo“ Guzmán ist Leiter eines der größten und einflussreichsten Drogenkartelle Mexikos.

Am 11. Juli vergangenen Jahres konnte er aus dem Hochsicherheitsgefängnis Altiplano entkommen, indem er über einen gegrabenen Tunnel von der Toilette aus bis außerhalb des Gefängnisses floh. Von dort aus reiste er direkt in seine Heimat, die fast vollständig von seinem Kartell kontrolliert wird. In seinem Versteck traf sich der 61-Jährige sogar mit dem US-Schauspieler Sean Penn, der mit ihm ein Interview für die Zeitschrift Rolling Stone durchführte.

Es handelte sich dabei schon um das zweite Mal, dass „El Chapo“ fliehen konnte. Schon bei seiner ersten Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis hatte er die Unterstützung von dutzenden Funktionär*innen und Politiker*innen bekommen. Damit wurde er zum Paradebeispiel der Verbindung zwischen dem Drogenhandel, der organisierten Kriminalität und der Politik und dem Staatsapparat auf all seinen Ebenen.

Die Verhaftung von „El Chapo“ ist damit weit mehr als eine Geschichte, die aus einem Hollywood-Film stammen könnte. Viel mehr wirft sie ein Schlaglicht auf die Situation des delegitimierten Regimes und seine Vernetzungen mit dem Drogenhandel.

„Krieg gegen die Drogen“

Enrique Peña Nieto hatte vor mehr als drei Jahren mit dem Ziel die Präsidentschaft angetreten, neoliberale Reformen gegen die Bevölkerung durchzuführen (wie die Privatisierung des Öl-Unternehmens PEMEX) und die Unterwerfung unter den US-Imperialismus zu vertiefen. Diese hatte sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter verschärft und besonders mit dem Beginn des „Kriegs gegen die Drogen“ eine neue Qualität angenommen.

Dieser führte unter Aufsicht der DEA und der CIA zur Militarisierung fast des gesamten Staatsgebiets und brachte mehr als 100.000 Tote und zehntausende Verschwundene. Auch das kürzlich unterzeichnete Transpazifische Handelsabkommen TPP erleichtert die Ausbeutung des mexikanischen Marktes durch imperialistische Unternehmen.

Doch große Korruptionsskandale schwächten im vergangenen Jahr das Image der Regierung. Die Flucht des „Chapo“ im vergangenen Juli stellte Peña Nieto deutlich in Frage, da die Unfähigkeit seiner Regierung deutlich wurde, den wichtigsten Gefangenen hinter Gittern zu behalten. Für Millionen ist klar, dass der mexikanische Staat ein korrupter Apparat im Dienste der multinationalen Konzerne und der Drogenbosse ist.

Krise des mexikanischen Regimes

Ende 2014 führte die demokratische Massenbewegung von Ayotzinapa zu einer tiefen Krise des Regimes. Das Massaker von Iguala trug dazu bei, dass nicht nur die Regierung, sondern alle Parteien des Regimes und seine Institutionen das Misstrauen der Bevölkerung auf sich zogen und an Legitimität verloren.

Das drückte sich bei den Wahlen am 7. Juni letzten Jahres aus, als die Regierungspartei PRI zwar an erster Stelle landete, doch sowohl sie als auch die anderen beiden großen bürgerlichen Parteien PAN und PRD an Stimmen verloren. Das drückte sich auch bei den massiven Demonstrationen zum ersten Jahrestag des Massaker von Iguala am 26. September aus, als erneut Hunderttausende die Plätze Mexikos füllten.

Diese Unzufriedenheit von breiten Schichten der Arbeiter*innen und Jugendlichen mit einem Regime, welches für sie nur die Überausbeutung, Repression, Frauenmorde und die Einschränkung demokratischer Rechte anzubieten hat, brachte sowohl politische als auch soziale Phänomene zustande. Auf der einen Seite der Wahlerfolg der linksreformistischen Partei Morena, die für mehr demokratische und soziale Rechte der arbeitenden Bevölkerung eintritt, jedoch ohne mit dem Imperialismus und dem Kapitalismus zu brechen.

Widerstand der Arbeiter*innen

Auf der anderen Seite der wachsende Widerstand der Arbeiter*innen gegen die Pläne der Regierung. Besonders die kämpferische Lehrer*innenbewegung kämpft schon seit Jahren gegen die neoliberale Bildungsreform und ist deshalb das erste Opfer der Repression. Im vergangenen Jahr starb der Lehrer David Gemayel Ruíz aufgrund des Polizeieinsatzes bei einer Demonstration.

Doch auch ein anderer Sektor der Arbeiter*innenklasse, wesentlich jünger und mit weniger Kampferfahrung, fängt an sich gegen die brutalen Bedingungen der Ausbeutung zu wehren, die ihnen durch die imperialistischen Konzerne mit Unterstützung der mexikanischen Regierung aufgezwungen werden. Es handelt sich um die, oft mehrheitlich weiblichen, Arbeiter*innen aus den riesigen Fabrikkomplexen im Norden des Landes, wo multinationale Unternehmen wie Foxxconn oder Lexmark angesiedelt sind. Die Beschäftigten dieser und anderer Betriebe kämpften gegen alltägliche Misshandlungen, Hungerlöhne und Überstunden.

Die Festnahme von Guzmán ist ein kurzlebiger Sieg der Regierung. Doch das Erwachen dieser millionenstarken Arbeiter*innenklasse beinhaltet ein mächtiges Potential. Sie kann Realität werden lassen, was Hunderttausende erreichen wollten, als sie „Peña Nieto muss weg“ und „Der Staat hat Schuld!“ riefen. Nur die Verbindung dieser jungen Sektoren des Proletariats mit der im Kampfe erprobten Avantgarde und der kämpferischen Jugend kann die demokratischen und sozialen Forderungen erfüllen, indem sie mit dem Imperialismus brechen und eine Arbeiter*innenregierung aufbauen.

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