Paris: Demonstrant*innen wieder frei, Repression geht weiter

30.11.2015, Lesezeit 4 Min.
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Seit den Anschlägen vom 13. November in Paris befindet sich Frankreich im Ausnahmezustand. Die staatlichen Repressionsorgane haben weitgehend freie Hand. Bereits im Vorfeld des COP21-Klimagipfels in Paris wurden linke Aktivist*innen unter Hausarrest gestellt. Gestern erreichte die staatliche Repression ein neues Ausmaß: 289 Festnahmen bei einer Demonstration gegen den Gipfel, die von der Polizei verboten worden war. Die meisten mussten die Nacht im Gefängnis verbringen.

Am gestrigen Sonntag demonstrierten mehr als 5.000 Personen in Paris zum Beginn des COP21-Klimagipfels. Die Demonstration war im Rahmen des Ausnahmezustands wegen angeblicher „Gefahr für die Demonstrant*innen“ verboten worden. Deshalb stellten die Organisator*innen zehntausende Schuhe auf dem zentralen Place de la République auf, um auf die potenziell viel größere Demonstration hinzuweisen.

Viele Menschen kamen dennoch auf die Straße und protestierten auch gegen das Demonstrationsverbot und den Ausnahmezustand. „Ihre Kriege, unsere Toten!“ hieß es auf Transparenten. Denn parallel zu der repressiven Eskalation im Inland kommt es zu einer Ausweitung der französischen Militärinterventionen in Syrien, Mali und anderen Ländern.

Die Gefahr für die Demonstrierenden – angeblicher Grund für das Verbot – ging jedoch nicht von „Terrorist*innen“ aus, sondern von den Spezialeinsatzkräften der Polizei. Nach massivem Einsatz von Pfefferspray und Tränengas kesselte die Polizei am späten Nachmittag hunderte linke Aktivist*innen ein und setzte sie stundenlang fest, wie in einem „Gefängnis unter freiem Himmel„. Unter den Eingekesselten befand sich auch Olivier Bésancenot, Sprecher der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) und ehemaliger Präsidentschaftskandidat, neben hunderten Aktivist*innen der NPA und weiteren Gruppen der radikalen Linken wie Ensemble und Alternative Libertaire.

Am Abend begann die Polizei dann, nach und nach Personalien festzustellen. 289 Menschen wurden festgenommen. 174 von ihnen wurden aufs Revier verbracht und mussten zu großen Teilen dort die Nacht verbringen. Unter ihnen befanden sich circa 40 Mitglieder der NPA, davon auch sechs Mitglieder der Revolutionär-Kommunistischen Strömung (CCR) der NPA, der Schwesterorganisation von RIO in Frankreich. Sie sind erst im Laufe des Nachmittags freigelassen worden – wie viele weitere Aktivist*innen noch in Gewahrsam sind, ist unklar.

Laut bisherigen Informationen wird den Verhafteten vorgeworfen, an einer verbotenen Demonstration teilgenommen und sich den Anweisungen der Polizei widersetzt zu haben. Das zeigt mehr als deutlich: Die Repression ist gegen diejenigen gerichtet, die sich der Abschaffung demokratischer Rechte entgegenstellen. Noch mehr: Der Ausnahmezustand ist vor allem gegen diejenigen gerichtet, die es wagen, der „nationalen Einheit“ nach den Attentaten zu widersprechen und ein Ende des Krieges zu fordern. Mitnichten sind diese „Notmaßnahmen“ gegen eine angebliche Terrorgefahr gerichtet – das zeigt sich auch daran, dass Weihnachtsmärkte, Shoppingcenter und Kinos geöffnet bleiben, Demonstrationen aber verboten werden.

Nachdem die Bilder der Polizeigewalt durch die Medien und soziale Netzwerke gingen, gehen Regierung und bürgerliche Journalist*innen in die Offensive: Eine Menschenkette gegen den Klimagipfel sei ja in Ordnung, doch die Demonstrant*innen wollten angeblich gar nicht gegen den Gipfel protestieren, sondern nur Krawall gegen die Polizei machen. Die Slogans gegen den Ausnahmezustand werden als Beweis dafür genommen, dass diese „störenden Elemente“ zu Recht die Repression verdient hätten.

Die Medien rechtfertigen so die Einschränkung grundlegender demokratischer Rechte. Damit leisten sie der extremen Rechten Vorschub. Der Front National forderte dementsprechend auch schon eine exemplarische Bestrafung der Demonstrant*innen.

Was gestern in Paris geschah, war ein vorbereiteter Angriff der Polizei auf die radikale Linke, um den Ausnahmezustand zu rechtfertigen – ein weiterer Schritt der Bonapartisierung in Frankreich. Eine vereinte Antwort der Linken gegen die Repression ist nötig – nicht nur in Frankreich, sondern europaweit.

  • Keine Anklagen gegen die verhafteten Demonstrant*innen!
  • Gegen die bonapartistische Wende! Nieder mit dem Ausnahmezustand!
  • Gegen die imperialistische Intervention in Syrien, Mali und anderswo! Ihre Kriege, unsere Toten!

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